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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 2. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30660#0269
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14. Ordnung des Waisenhauses zu Handschuhsheim 1588

Letzlichen und insgemein soll er ime obangezogene-
re waisenkinder und durchauß des hauses wohlfahrt
treulich laßen bevolhenn sein, gegen jedermann wil-
lig und freundtlich, auch dermaßen getreu, ufrich-
tig, ohnverargwont, ohnparteysch, nüchtern und be-
scheiden halten und beweißen, wie dan ein frommer,
getreuer diener seiner herrschaft von Gots, auch
recht und billichkeit wegen zu thun schuldig und
pflichtig ist, insonderheit sich bey erziehung der-
gleichen jungen kindern sich in all wege geziemen
thut, sonder alle geverde.
Der kindermutter ordnung und verrichtung.
Soll dieselb ein erbare, betagte, gottsförchtige, fro-
me weibspersohn und wittib, der churf.[ürstlichen]
Pfaltz religion verwandt sein, die kinder lieben, kei-
nen anhang haben noch einichen zanck oder wider-
willen erwecken, sonder bescheiten und friedtlebent
sich erweißen, einem schaffner und schafnerin, sovil
die kinder anlangt, gehorsam und gewertig sein, da-
mit für allen dingen gottseligkeit gepflantzet, gezie-
let und die kinder wohl erzogen werden.
Fürnemlich aber soll sie und sonderlichen die
kleinste, ohnmündige kinder treulich und fleißig in
acht haben, denselben ahn gepürender wartung
nichtzit abgehn oder manglen laßen.
Item sie soll dieselbigen reiniglich und sauber hal-
ten, allem unrhat beyzeiten wehren und vorckom-
men, damit sie nicht verderben, sonder bey demje-
nigen, so inen der notturft nach gereicht wurdt, ge-
deyen mögen.
Wann sie die kinder zu beth legt oder widerum
ufhebt, item vor und nach dem essen soll daßelbig
mit anrufung des namen Gottes und dem gepet ge-
schehen, die kinder von jugendt uf zum gepet ge-
wohnen.
Item es soll auch ein kindermutter den kindern
durchauß keinen muthwillen gestatten, ja für ire
n Wundt: anbefohlen.
o Wundt: gebührender.
p Wundt: unweiß.
q Wundt: zubrodt.
r Fehlt bei Wundt.

personn sich aller leichtfertigkeit, bösem geschwetz
undt untüchtigen worten und thaten, dardurch die
kinder zu dergleichen bösem angereitzt werden
möchten, enthalten und in allen dingen denselben
mit guten exempeln fürgehen.
Im fall dan eines und das ander sich mutwillig
und ohngehorsam erzeigen undt uf ihr vermahnen
undt strafen nicht geben wolte, dem schaffner und
schaffnerin anmelden, daselbig mit geziemendero
züchtigung anzusehen haben.
Vor ire persohn aber soll sie die kinder nicht
schlagen noch unwirßp oder tyrannisch gegen den-
selben erzeigen, sonder also verfahren, wie es sich
gegen solchen aignet und gezimpt.
Item dahin sehen, das den kindern morgents früe ire
suppen, brey undt, was inen sonsten verordnet,
sampt dem zunderbrothq zu rechter zeit geraicht
werde, damit einr jedes volgents das seinig verrich-
ten undt die knaben ohngesaumpt die schul besu-
chen mögen.
Nachvolgends soll sie in die cammern herumgehen,
den kindern die beth machen, die cammern sauber
halten, auch den kindern ire hembder, leilachen2
und gerethlein zu rechter zeit in der bächs wäschen
und seubern.
Deßgleichen, waß ahn dießem den kindern zugehö-
rigen leinwath zu beßern, solches bey rechter zeit
thun, uf daß des haußes mit neuem gedüch zu er-
kaufen und zu verschneiden soviel möglich ver-
schont werde, auch dieses alles sonsten in guter ver-
wahrung handthaben und erhalten.
Neben dießem auch die meidtlint zu nähen und spin-
nen vleißig anweißen, was dießfals von der kellerin
ihr vor sprüfahlu behändigt würdt, solches den kin-
dern ahn die rocken anlegen und das gespunnen
garn vleißig widerum uberantworten.

s Wundt: budt.
t Wundt fügt hier ein: auch.
u Wundt: spinsal.
2 Leintuch, Betttuch, vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 694.

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