Einleitung
wenn möglich neue kirchliche Regelungen zu einer weiteren gemeinsamen Klammer zu nutzen. Treibende
Kraft hierbei wurde das höchste politische Gremium der sächsischen Nation, die sächsische Nationsuni-
versität - die sich als custos tabulae79 auch zu Eingriffen in kirchliche Angelegenheiten legitimiert sah,
propter scandala evitanda.
Ihre führende Persönlichkeit war der 1543 zum Hermannstädter Bürgermeister aufrückende Peter Hal-
ler80. Seine Familie gehörte zu den führenden Nürnberger Geschlechtern. Er selbst war aus Pest zugezogen
und besaß ein weitreichendes Beziehungsnetz nach Deutschland und Zentralungarn, zu König Ferdinand
und zum Weißenburger Hof. Persönliche Kontakte und diplomatisches Geschick kontrastierten mit dem
lange Zeit in Hermannstadt bestimmenden Königsrichter Georg Huet, der durch langes Festhalten an
Habsburg, trotz langer Belagerung und Privilegienverlusten, die Stadt innerhalb Siebenbürgens isoliert
hatte und schließlich auch von der Nationsuniversität nicht mehr unterstützt wurde. Unter Peter Haller
konnte Hermannstadt wieder eine Führungsrolle innerhalb der sächsischen Gemeinschaft einnehmen und
zugleich der sächsischen natio eine mittragende und mitbestimmende Rolle im neu gebildeten siebenbür-
gischen Staat, in dessen Fürstenrat und Landtag sichern.
Wichtiger Helfer mit umfangreicher Reisetätigkeit und persönlichen Kontakten, namentlich zur säch-
sischen Pfarrerschaft, war der aus Bistritz stammende, in Klausenburg ausgebildete Humanist Christian
Pomarius, der Nachfolger des Lukas Trappoldinus als Hermannstädter Stadtschreiber und Notar der
Nationsuniversität81.
Einzelne evangelische Bestrebungen gab es in Hermannstadt bereits in den 1520er Jahren; gegen sie
wendete sich 1526 eine „Klagschrift des Hermannstädter Kapitels“. Mehrfach wurde der Stadtrat zum
Vorgehen gegen Schriften und Anhänger Luthers aufgefordert82. Im Mai 1536 erhielt mit Matthias Ramser
ein wittenbergisch orientierter ausgebildeter Geistlicher die Stadtpfarrei; nach Wittenberg wendete sich
Ramser 1543 mit der Anfrage, ob das für Kronstadt erstellte Reformationsbüchlein für recht befunden
werde und als Grundlage einer Kirchenerneuerung dienen könne. Nach deutlichem Zuraten der Wittenber-
ger Autoritäten Luther und Bugenhagen bildete das Reformationsbüchlein auch die Grundlage einer im
Konsens von Kirchenleitung und Hermannstädter Rat durchgeführten Kirchenreform. Im Frühjahr 1544
nahm Ramser zusammen mit zwei Ratsvertretern eine Visitation im Kapitelsgebiet vor, dem Ramser auch
als Dechant vorstand83.
Im November 1544 stellte die erstmals von Peter Haller geleitete Nationsuniversität fest, dass sich die
Mehrheit der sächsichen Städte bereits der Reformation angeschlossen habe (verbum Dei receperunt), und
forderte - in Verdeutlichung der maßgeblichen Rolle der weltlichen Gewalt bei der Einführung der Refor-
mation - die Magistrate auf, für eine einheitliche kirchliche Lehre und Gottesdienstordnung Sorge zu
tragen. Die Versammlung formulierte somit ihr zentrales Interesse am Erhalt einer konfessionellen Einheit
der sächsischen natio. Eine offensiv proreformatorische Mehrheit propagierte hier erstmals den Fortgang
der Reformation bis zur einheitlich gestalteten evangelischen Kirchenlandschaft im Sachsengebiet-unge-
achtet einer 1545 im Namen des minderjährigen Fürsten ergangenen Mahnung, ne novitates in religione
introducantur, und deren um Schutz von Klöstern und anderen katholischen Einrichtungen erweiterten
79 Die Obrigkeit als custos utriusque tabulae findet sich
mehrfach in Schriften der Reformatoren, so bei Melan-
chthon, Loci Communes in der Fassung von 1535: Magi-
stratum custodem esse non solum secundae tabulae, sed
etiam primae tabulae, quod attinet ad externam discipli-
nam = CR 21, Sp. 553. Zur Verwendung in Siebenbürgen
(nochmals 1550 durch die Nationsuniversität, 1572
durch den Fürsten Stephan Báthory, unten S. 258 und
320) Schuller, Gottesdienst, S. 411-412 Anm. 3.
80 Über ihn eingehend Gündisch, Peter Haller, S. 5-89,
zuletzt Roth, Hermannstadt, S. 65-70.
81 Über ihn siehe unten S. 133f. (Einleitung zu seinen
Ermahnungen als Dechant des Bistritzer Kapitels 1560);
Biographien Gündisch, Pomarius, S. 114-136; Schul-
ler, Pomarius, S. 185-246; Trausch, Schriftsteller-
Lexikon III, S. 68-71.
82 Zu diesen Anfängen Reinerth, Gründung, S. 8-26;
Herbert, Reformation Hermannstadt, 7-17.
83 Zuletzt zusammenfassend Roth, Hermannstadt, S. 66.
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wenn möglich neue kirchliche Regelungen zu einer weiteren gemeinsamen Klammer zu nutzen. Treibende
Kraft hierbei wurde das höchste politische Gremium der sächsischen Nation, die sächsische Nationsuni-
versität - die sich als custos tabulae79 auch zu Eingriffen in kirchliche Angelegenheiten legitimiert sah,
propter scandala evitanda.
Ihre führende Persönlichkeit war der 1543 zum Hermannstädter Bürgermeister aufrückende Peter Hal-
ler80. Seine Familie gehörte zu den führenden Nürnberger Geschlechtern. Er selbst war aus Pest zugezogen
und besaß ein weitreichendes Beziehungsnetz nach Deutschland und Zentralungarn, zu König Ferdinand
und zum Weißenburger Hof. Persönliche Kontakte und diplomatisches Geschick kontrastierten mit dem
lange Zeit in Hermannstadt bestimmenden Königsrichter Georg Huet, der durch langes Festhalten an
Habsburg, trotz langer Belagerung und Privilegienverlusten, die Stadt innerhalb Siebenbürgens isoliert
hatte und schließlich auch von der Nationsuniversität nicht mehr unterstützt wurde. Unter Peter Haller
konnte Hermannstadt wieder eine Führungsrolle innerhalb der sächsischen Gemeinschaft einnehmen und
zugleich der sächsischen natio eine mittragende und mitbestimmende Rolle im neu gebildeten siebenbür-
gischen Staat, in dessen Fürstenrat und Landtag sichern.
Wichtiger Helfer mit umfangreicher Reisetätigkeit und persönlichen Kontakten, namentlich zur säch-
sischen Pfarrerschaft, war der aus Bistritz stammende, in Klausenburg ausgebildete Humanist Christian
Pomarius, der Nachfolger des Lukas Trappoldinus als Hermannstädter Stadtschreiber und Notar der
Nationsuniversität81.
Einzelne evangelische Bestrebungen gab es in Hermannstadt bereits in den 1520er Jahren; gegen sie
wendete sich 1526 eine „Klagschrift des Hermannstädter Kapitels“. Mehrfach wurde der Stadtrat zum
Vorgehen gegen Schriften und Anhänger Luthers aufgefordert82. Im Mai 1536 erhielt mit Matthias Ramser
ein wittenbergisch orientierter ausgebildeter Geistlicher die Stadtpfarrei; nach Wittenberg wendete sich
Ramser 1543 mit der Anfrage, ob das für Kronstadt erstellte Reformationsbüchlein für recht befunden
werde und als Grundlage einer Kirchenerneuerung dienen könne. Nach deutlichem Zuraten der Wittenber-
ger Autoritäten Luther und Bugenhagen bildete das Reformationsbüchlein auch die Grundlage einer im
Konsens von Kirchenleitung und Hermannstädter Rat durchgeführten Kirchenreform. Im Frühjahr 1544
nahm Ramser zusammen mit zwei Ratsvertretern eine Visitation im Kapitelsgebiet vor, dem Ramser auch
als Dechant vorstand83.
Im November 1544 stellte die erstmals von Peter Haller geleitete Nationsuniversität fest, dass sich die
Mehrheit der sächsichen Städte bereits der Reformation angeschlossen habe (verbum Dei receperunt), und
forderte - in Verdeutlichung der maßgeblichen Rolle der weltlichen Gewalt bei der Einführung der Refor-
mation - die Magistrate auf, für eine einheitliche kirchliche Lehre und Gottesdienstordnung Sorge zu
tragen. Die Versammlung formulierte somit ihr zentrales Interesse am Erhalt einer konfessionellen Einheit
der sächsischen natio. Eine offensiv proreformatorische Mehrheit propagierte hier erstmals den Fortgang
der Reformation bis zur einheitlich gestalteten evangelischen Kirchenlandschaft im Sachsengebiet-unge-
achtet einer 1545 im Namen des minderjährigen Fürsten ergangenen Mahnung, ne novitates in religione
introducantur, und deren um Schutz von Klöstern und anderen katholischen Einrichtungen erweiterten
79 Die Obrigkeit als custos utriusque tabulae findet sich
mehrfach in Schriften der Reformatoren, so bei Melan-
chthon, Loci Communes in der Fassung von 1535: Magi-
stratum custodem esse non solum secundae tabulae, sed
etiam primae tabulae, quod attinet ad externam discipli-
nam = CR 21, Sp. 553. Zur Verwendung in Siebenbürgen
(nochmals 1550 durch die Nationsuniversität, 1572
durch den Fürsten Stephan Báthory, unten S. 258 und
320) Schuller, Gottesdienst, S. 411-412 Anm. 3.
80 Über ihn eingehend Gündisch, Peter Haller, S. 5-89,
zuletzt Roth, Hermannstadt, S. 65-70.
81 Über ihn siehe unten S. 133f. (Einleitung zu seinen
Ermahnungen als Dechant des Bistritzer Kapitels 1560);
Biographien Gündisch, Pomarius, S. 114-136; Schul-
ler, Pomarius, S. 185-246; Trausch, Schriftsteller-
Lexikon III, S. 68-71.
82 Zu diesen Anfängen Reinerth, Gründung, S. 8-26;
Herbert, Reformation Hermannstadt, 7-17.
83 Zuletzt zusammenfassend Roth, Hermannstadt, S. 66.
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