Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Armgart, Martin [Bearb.]; Meese, Karin [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0141
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

Die mehrfach von der Nationsuniversität angemahnte Gelehrtenversammlung kam schließlich im März
1547 in Hermannstadt zusammen. Augenfällig ist ihr Zusammentritt bald nach dem Tod des Hermann-
städter Stadtpfarrers Ramser. Honterus war bei der Versammlung nicht anwesend, doch nahmen zwei enge
Vertraute, sein späterer Nachfolger, der gelehrte Ratsherr Valentin Wagner, und der spätere Generalde-
chant Matthias Glatz, auf Burzenländer Seite teil. Andere große Städte entsandten ihre Stadtpfarrer. Auch
der (später reformierte) Klausenburger Stadtpfarrer Kaspar Helth beteiligte sich. Die von der Versamm-
lung ausgearbeitete Kirchenordnung wurde 1547 von Johannes Honterus gedruckt. Die Orientierung am
Kronstädter Reformationsbüchlein zeigt bereits der gewählte lateinische Titel Reformatio ecclesiarum Saxo-
nicarum in Transylvania. Der lange vornehmlich als Ausweitung der Kronstädter Ordnung bzw. als Hon-
terus gemehrte reformation92 angesehene Text wird in der jüngeren Forschung differenzierter gesehen und
insbesondere die nun hinzugekommenen Befugnisse der Geistlichkeit herausgestellt. Die gleichzeitige deut-
sche Fassung, Kirchenordnung aller Deutschen in Sybembürgen, erhob in bemerkenswerter Abweichung einen
Anspruch auf Gültigkeit über die Grenzen des sächsischen Rechtsgebietes hinaus. Gleichsam in Ergänzung
der Kirchenordnung druckte Honterus in weitgehender Übernahme von Vorlagen aus Deutschland eine
knappe Agende und einen Katechismus, welchen die Kirchenordnung93 als Grundausstattung jeder Pfarrei
vorgesehen hatte. Bereits 1548 druckte Johannes Honterus Luthers Kleinen Katechismus nach der 1540/42
in Wittenberg erschienenen Auflage, jedoch „in ganz eigenartiger Gliederung“ mit verschiedenen Kürzun-
gen und Zusätzen nach94. Bereits 1555 erfuhr der Kronstädter Katechismus eine nahezu unveränderte
Neuauflage. In Klausenburg erschien 1550 eine ungarische Übersetzung von Luthers Kleinem Katechis-
mus95. Im gleichen Jahr publizierte der Kronstädter Stadtpfarrer Valentin Wagner einen von ihm verfassten
Katechismus in griechischer Sprache96.
In auffälligem Abstand von drei Jahren97 erklärte die Nationsuniversität 1550 die Kirchenordnung, die
concordia doctorum de doctrina, sacramentis et ceremoniis in ecclesia, als verbindlich für alle Geistlichen in den
(dem sächsischen Rechtsgebiet angehörenden) Städten und Dörfern. Der knappe Beschluss wird als eines
der zentralen Ereignisse der siebenbürgisch-sächsischen Reformationsgeschichte in Hand- und Schulbü-
chern mitgeteilt und ist zugleich Höhe- und Wendepunkt der Einflussnahme der Nationsuniversität auf die
kirchlichen Verhältnisse im Sachsengebiet.
Probates Instrument der Ausweitung der städtischen Reformation waren Kirchenvisitationen, deren
Leitung führende Ratsvertreter übernahmen. So führte der Kronstädter Rat noch im Dezember 1542 eine
Visitation in den Kirchengemeinden des Burzenländer Kapitels durch. Der Hermannstädter Rat folgte
154498. Im Erscheinungsjahr der Kirchenordnung 1547 erfolgten Visitationen sowohl in Hermannstadt als

92 Zitat aus der Chronik des Kronstädter Predigers Daniel
Reipchius vom Jahre 1612; Reinerth, Gründung,
S. 179; Gündisch, Siebenbürger Sachsen, S. 86.
93 In Titel 15, Punkt 6, siehe S. 221 bzw. 243. Insgesamt
dazu Schuller, Katechismus, S. 185-196.
94 Beschreibung des Druckes ASD, Nr. 39; RMNy, Nr. 72;
RMK II, Nr. 41 (irrig 1547). Eingehend Somlyö,
Manasse, S. 339-346; Nussbächer, Honterus-For-
schung I, S. 213-217. Luther wird als Autor genannt, der
Titel erweitert um für die pfarherr und hausväter. Weg-
gelassen wurde das Vorwort und im Anhang Trauung
und Taufe. An deren Stelle trat das Manasse-Gebet
(oratio Manasse regis Iuda), ein apokrypher, als Anhang
zum vierten Teil des Buches der Könige überlieferter
Text, offenbar nach einem Wittenberger Druck von
1543.
95 Katechismus minor, az az a kereszteny tudomanac revide-

den valo sumaya. Colosvarba 1550; Beschreibung des
Druckes ASD, Nr. 46 und RMNy, Nr. 86.
96 Druck, Übersetzung und Kommentar Müller, Ost und
West, S. 1-375. Beschreibung des Druckes ASD, Nr. 43,
RMNy, Nr. 82; vgl. Müller, Reformation, S. 119-
210.
97 Das Zögern mag sich aus Bedenken des Hermannstädter
Rates erklären; 1549 holte der Rat bei dem sich gerade
dort aufhaltenden, (später als Häretiker verfemten) ita-
lienischen Gelehrten Francesco Stancaro ein Gutachten
über Kirchen- und Schulreformen ein, das zurückhaltend
die Kirchenreform billigte. Zu Stancaro allgemein vgl.
oben S. 31.
98 Item 30. Martii missis dominis Martino Pylgram ac
Mathia Ponczler cum domino plebano ad sedem Schenk et
Lewsskyrch pro visitatione ecclesiarum expensae flor. 10
den. 0, pro vectura flor. 2 den. 0. Item 5. Maii missis domi-

123
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften