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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Armgart, Martin [Oth.]; Meese, Karin [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0147
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Einleitung

ten126. Die bisherige Leitung der Geistlichen Universität durch den (jährlich neu gewählten) Dechanten des
Mediascher Kapitels als Generaldechant wurde aufgegeben zugunsten einer personalisierten permanenten
Kirchenleitung. Erster Superintendent wurde 1553 der Stadtpfarrer von Hermannstadt, Paul Wiener. Er
war 1549 als Glaubensflüchtling aus dem heutigen Slowenien nach Hermannstadt gekommen und konnte
als vormaliger Domherr und Generalvikar des Bistums Laibach eigene kirchenorganisatorische Erfahrun-
gen einbringen. Doch starb Wiener bereits im Folgejahr während einer Pestepedemie. Der in der Stadt
verbliebene Prediger Matthias Hebler127 übernahm Wieners Aufgaben: 1555 als Stadtpfarrer, 1556 auch als
Superintendent. Unter ihm begannen regelmäßige Synoden, deren Beschlüsse ausführliche kirchenordnende
Regelungen trafen und zur zentralen Quelle für Kirchenordnungen dieser Zeit wurden. Die sächsische
Nationsuniversität, die zuvor eine treibende Kraft bei der Schaffung einer eigenen Kirchenleitung gewesen
war, wurde nur noch in kleinerem Rahmen kirchenordnend tätig. Die Gründe für diesen Rückzug lagen vor
allem in den politischen Entwicklungen der Zeit. Die Nationsuniversität und ihre Führung, die Stadt
Hermannstadt, war in diesen Jahren 1554-1557 stark geschwächt: durch Pest und Stadtbrand, Bürgerun-
ruhen, die in der Ermordung des Königsrichters eskalierten, habsburgische Truppenstationierung sowie
schließlich 1556 deren Abzug und das Scheitern der von Hermannstadt getragenen habsburgorientierten
Politik128.
Hebler erhielt 1558 eine landesherrliche Bestätigung seines Amtes, verbunden mit einer ersten Aufga-
benbeschreibung129. Es scheint, dass eine Stärkung der sächsischen Geistlichkeit auf Kosten der Nations-
universität von evangelischen Kräften am Hof, insbesondere dem Kanzler Michael Csaki, angestrebt
wurde. Ab 1557 erhielten die sächsischen Geistlichen zunächst für einzelne Kapitel, schließlich 1559 für ihre
gesamte Kirche landesherrliche Schutzbriefe. Die dort aufgeführten, an katholischer Zeit orientierten Vor-
rechte, namentlich bei der geistlichen Gerichtsbarkeit einschließlich der Ehegerichtsbarkeit, veranlassten
1559 die Nationsuniversität zu einer heftigen Gegenreaktion. Nach einem Protestschreiben darüber, dass
die Geistlichen on unser wissen zu königlicher maiestett gezogen und einen Brief erwirkten, der unseren rechten,
freytumen und privilegien zuwider sei, haben auf dem nächsten Konflux der Nationsuniversität führende
Geistliche den Vorbehalt der alten sächsischen Freiheiten anerkannt130. Schließlich verabschiedeten beide
Gremien Ende 1559 bzw. 1560 eine gemeinsame Ordnung, die 1563 und 1568 überarbeitet wurde.
Gemeinsame Anstrengungen galten ebenso der Abgrenzung der sächsischen Kirche von einer gesamt-
siebenbürgischen evangelischen Kirchenorganisation wie auch gegenüber neuen Strömungen, die zu „Spal-
tungen“ innerhalb der sächsischen Gemeinschaft hätten führen können. Als erste Gefährdung galt die
Betätigung des italienischen Gelehrten Franceso Stancaro131. Bei einem ersten Aufenthalt in Hermannstadt
1548/49 hatte er Unterstützung und Wertschätzung bei führenden Ratsfamilien genossen; er war als Gut-
achter für den Aufbau eines städtischen Gymnasiums herangezogen worden, nebenbei auch für kirchenor-
ganisatorische Fragen132. Die ihm angebotene Leitung des Gymnasiums hatte Stancaro abgelehnt und Pro-

126 Zur Vorgeschichte und den Anfängen Binder, Entste-
hung, S. 72-83; Schullerus, Kirchenrecht, S 180-200
(mit Abdruck der Beschwerdeschrift ebd., S. 189f.).
127 Auch Hebler war ein Auswärtiger; geboren in Karpfen in
der heutigen Slowakei, promovierte er in Wittenberg
zum Magister. Bugenhagen ordinierte ihn für Hermann-
stadt. Dort begann er 1553 als Rektor des Gymnasiums
und wurde 1554 Prediger, vertrat den am 16. August
1554 gestorbenen Wiener in der Stadt, wurde Anfang
1555 vom Rat als Stadtpfarrer eingesetzt und am 29.
Juni 1556 von einer Synode zum Superintendenten
gewählt. Zu seiner Biographie Jekeli, Bischöfe, S. 11-
22; Reinerth, Gründung, S. 244-289; BBKL II, Sp.

627-629; Trausch, Schriftsteller-Lexikon II, S. 76,
VII, S. 61.
128 Eingehend Gündisch, Aufstand, S. 75-110.
129 Abdruck Teutsch, UB I, S. 167 Nr. 75.
130 Schreiben der Nationsuniversität abgedruckt Teutsch,
UB II, S. 23L, Anm. 1; Protokoll des Konfluxes NatA
Hermannstadt, Protokolle der sächs. Nationsuniversität
[Universitatea Săsească registre] (Inv. 14), Nr. 206 (alt
Bd. 4), pag. 100 f. Vgl. Roth, Reformation II, S. 57-66.
131 Zu Stancaro allgemein vgl. oben S. 31; zu seinen sächsi-
schen Kontakten Reinerth, Gründung, S. 211-216.
132 Abdruck seines Gutachtens Teutsch, Schulordnun-
gen I, S. 13-15 Nr. 4.

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