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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Armgart, Martin [Oth.]; Meese, Karin [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0167
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Einleitung

6. Rechtliche und institutionelle Ausformung unter Superintendent Lukas Unglerus
(1572-1600)
Die abermals sehr lange Amtszeit eines Superintendenten, verbunden mit einer Periode politischer Stabi-
lität in Siebenbürgen, bildete den Rahmen einer Phase rechtlicher und institutioneller Ausformung der 1572
bestätigten separaten Kirchenorganisation der Siebenbürger Sachsen.
Das Verbleiben des neuen Superintendenten Mag. Lukas Unglerus (Ungleich)234 im mittelsiebenbürgi-
schen Birthälm war ein augenfälliger Kontinuitätsbruch zur bisher in Hermannstadt beheimateten Super-
intendentur. Persönlich war Unglerus eng mit Hermannstadt verbunden. Er war dort geboren, seine Fami-
lie im Rat vertreten. Seine Schulbildung erhielt er allerdings am Kronstädter Gymnasium. Sein 1550 begon-
nenes Studium in Wittenberg als Schüler Melanchthons in der Zeit des Interims schloss er mit der Magi-
sterpromotion ab. 1556 wirkte Unglerus als Lektor, ab 1557 als Rektor am Hermannstädter Gynmanium.
1561 war er einer der drei Abgesandten an deutschen Universitäten zur Begutachtung der brevis confes-
sio235. Offenbar bald nach seiner Rückkehr erhielt er als erste Pfarrstelle das Stadtpfarramt von Mühlbach.
1565 unterzeichnete er als Pfarrer der nahegelegenen Landgemeinde Kelling und als Dechant des Unter-
wälder Kapitels die umfangreichen Synodalartikel236. 1567 wechselte Unglerus in die wohlhabende Markt-
gemeinde Birthälm im Mediascher Kapitel. Dem dortigen Dechanten oblag als Generaldechant die Stell-
vertretung des Superintendenten und die Leitung der Wahlsynode. Der hochangesehene Generaldechant
Matthias Glatz, einst enger Mitarbeiter von Honterus, beförderte durch Rücknahme der eigenen Kandi-
datur den Wahlerfolg seines Kapitelbruders Unglerus.
Der 1572 mit deutlichem Votum der Synode gewählte Unglerus war ein angesehener Theologe wie auch
ein geschickter Vermittler zwischen den Lagern, die innerhalb der sächsischen Geistlichkeit bestanden. Als
Kandidat der nord- und mittelsiebenbürgischen Pfarreien gelangen ihm Kompromisse, die auch mit Zuge-
ständnissen an die von Hermannstadt und dem Fürsten vertretenen Positionen einhergingen. Zur Stärkung
seiner Stellung innerhalb der Kirche und gegenüber lokalen weltlichen Gewalten suchte er um Unterstüt-
zung des Fürsten und der Nationsuniversität nach. Einen Höhepunkt bildete die erste Generalvisitation der
sächsischen Kirche, deren Artikel mit der weltlichen Nationsuniversität 1577 gemeinsam verabschiedet und
vom Fürsten bestätigt worden waren.
Die theologische Ausformung und Abgrenzung gegenüber den umwohnenden Reformierten und Unita-
riern erfolgte insbesondere in umfangreichen Bekenntnisartikeln, die nach der grundlegenden Formula pii
consensus von 1572 von den Synoden 1573, 1578 und 1595 angenommen wurden237. Daneben standen kir-
chenordnende Synodalbeschlüsse, insbesondere in den ersten Amtsjahren von Unglerus. In zahlreichen
Abschriften überliefert und von mehreren späteren Synoden erneuert wurden die Disziplinarartikel des
Jahres 1574.
Exemplarisch seien einheitliche Zuständigkeiten in Ehesachen betrachtet. Die Synodalartikel von 1565
verweisen in ihrem Artikel XI lediglich auf das Wittenberger Vorbild. Dessen strittige Auslegung zeigte das
Verbot einer Eheschließung im Hermannstädter Patriziat durch den todkranken Superintendenten Hebler
und dessen Aufhebung durch die Synode 1571238. 1573 wurde dem Superintendenten auf der Synode ein

234 Teutsch, Geschichte I, S. 295-335; Jekeli, Bischöfe,
S. 24-37; Gündisch, Bischofsbibliothek, S. 351-362
(neben der Rekonstruktion seiner Bibliothek mit Ergän-
zungen zur Biographie anhand von Archivalien).
235 Dazu oben S. 134.
236 So gehört Unglerus zu den Unterzeichnern der umfang-
reichen Synodalartikel von 1565. Seiner Unterschrift

fügte er hinzu: has conclusiones pias, tanquam verbo
Domini et rectae ευταξια congruentes, fratrum suorum
nomine subscribendo comprobavit; siehe S. 296.
237 Dazu Teutsch, Geschichte I, S. 376f.; Szegedi, Kron-
stadt, S. 149-152.
238 Reinerth, Gründung S. 310.

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