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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Armgart, Martin [Bearb.]; Meese, Karin [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0210
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Das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen

der falscher propheten so weyt sich (laider) eynge-
rischen hatt, das alleyn Got durch dy schrift seyn
allerheiligstes wort in dy welt genediklichenn nit
ausgeschütt hett, so wer es bys yecz mit der religion
schon gancz ergangen, welchs so myr nach unserer
myttelmessikeit fleissiklich gemerkt habenn.
Nach dem das auch unsere stat Kronnen gleich
am endt der Occidentalischen kyrchen gelegenn ist,
in welche dan Moldner, Walchenn, Bleschlender5
und andere mancherlay völker, der Orientalischer
kyrchenn unterworffenn, teglich zu kommenn, wel-
che durch dy menge und vild der altar und pylder,
auch ungeschykter etlicher ceremonien trefflichen
offt geleczt und geergert werdenn und mit mancher-
ley disputacion vom glaubenn und religion uns hals-
starriklichen anffechten, also das sy etlicher leut ge-
wissenn gar offt von der warheit vorffyerenn und
mit yrer czwytracht offembarliche ding bay eynfel-
tigenn leuten czweiffelhaftig machenn, aber nicht
das der Christlich glaub von unserer gewonheit we-
genn bay den selbennb eyn bösen namenn hab, dy
yren glawben und ceremonien als die vornemstenn
und bestenn achten und pochenn, so seyn myr vor-
wrsacht wordenn derc gewissenn halbenn in etlichen
lichtfertigenn dingenn zu weychenn.
Wiewol an dy dosige und andere rechtschaffene
wrsachenn in solchen kegenwertigenn gefferlichen
czeitenn myr mit nichtenn habenn gedacht zu war-
tenn auff etlichen, so alczu sycher schlafenn mit den
torychtenn junkfrawenn, welche an czweyffel umb-
sonst das öll suchen werdenn nach vorschlyesung
der thyer6, sonder an alle eergeiczikeit ader nachredt
böser leut alleyn zu angesicht der eerenn und forcht
Gottes durch seyne genadt vorschafft haben, das
der standenn der religion, bay uns durch mancher-
lay supersticion trefflichen vorrukt, yn eyn bequeme
und guete leydliche forme widergebracht werdt. In
welchen dingen fleissiklichen vermerktd ist wordenn,
das gar nichts newes an czeugnus der schrifft ader

b Korrigiert aus: ynnen.
c Korrigiert aus: unser.
d Textvorlage: vermerlt.
e Korrigiert aus: düglich.
5 Beides zumeist synonym für Rumänen (Walachen),

an exempel berumpter stett yn yndertheym teyl an-
genommenn soll werdenn, auch das yn solchen dyn-
genn, so | 2 r | der selikeit nöttig werenn und eyn of-
femberlich gepott und befelch Gottes hettenn, nicht
yndert eyn nachlessykeit gescheen möcht. Und
nicht das etlicher gemuet geleydiget wurdenn, so
von knagerenn7 der warheit solche alle dyng auffs
argest auslegenn hörenn, habenn myr vor guet an-
geseen, unserer kyrchen ordnung eyn offembarliche
ursach ader deutung zu gebenn, do mit vorhoffen zu
gescheen, das auch andere liebhaber der guettikeytt,
so dy warheit erkennenn, ethwan eyn trost daraus
nemen werdenn, zu vor aus, so sy vorsteen werdenn,
das dy sach nicht gehandelt wirt vorgenkliche gue-
ter und der gleichen dyser welt sorgenn zu überkom-
menn, sonder von der selikeit und ewiger vorlörnus
der selenn. Gott der Herr erwecke den geist seyner
auserwelter und aus stos arbeytter yn seynen er-
renn8. Amen.
[1.] Von der leer
So aber das vornemste theil der religion stet an der
leer und dy leer sol gesteenn aus dem wort Gottes,
so ist unsere erste sorge gewesenn, das durch eyne
gemeine visitacion der kyrchenn des ganczen landes
dy geschiklikeit der leer der kyrchen dyener erfor-
schet würde unnd dy das volk zu lernenn nicht ge-
nugsam geschykt ader undügthiche befonden wur-
den, soltenn hernachmals von den kyrchen ampte-
renn sych genczlich enthaltenn, nicht das durch yre
grobe unwissenheit das volk vorseumlich gehaltenn,
yn yrenn vorigenn mesglaubenn fallenn möcht. Dan
es ist allen wol wislich, wie gros erschrekliche und
geferliche schyffbruch ader mesglaube in dy kyrche
Gottes eyngefurt seyn wordenn durch solche kyr-
chendiener, dy, aller Christenlicher leer unerfarenn,
alleyn durch blosse ordinacion ader wayhung sych
selbst hyn und heer yn dy kyrchen eyngetrungenn

Bleschländer speziell für Bewohner der Walachei; SSWb
I, S. 645f.
6 Vgl. Mt 25,1-13.
7 Knagen = anknabbern, nagen (südsiebenbürgisch);
SSWb V, S. 205.
8 Mt 9,38 und Lk 10,2.

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