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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0072
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Das Herzogthum Preussen.

stiftung zwischen den blutsverwandten wöllen
gedeut und verstanden haben. Also das, wo
irrung oder zwispaltung, ehelicher geluebd halben
entstehen, daruber allein die hern biscliof oder
der, dem sie es verstendigen, vertrauen und be-
vehlen, zuerkennen und zurichten gewalt und
macht haben söllen.
Wo sich aber jemands der erkenntnus oder
urtheils der herren bischofen, official oder ihrer
verordenten in geistlichen sachen beschweren thet,
und an die oberherrschaft zu appelliren bedacht
were, söl einem jedern das frei und zugelassen
sein, doch das er inwendig zehen tagen apelliren,
in gebührender zeit apostolos fordern, und die
appellation bei der obrigkeit prosequiren thue, do
dann der arme unvermögende, für die gerichts
acta und anders zuschreiben, auch darumb, das
er von dem urtheil appellirt zwue mark, und die
vermögenden sechs mark zugeben schuldig sein
söllen, und söl mit sölchem eingelegten geld in
aller massen, wie es in den statgerichten gehalten
werden. Aber zu forderst sölle ihme der official
eine schriftliche copei des ergangenen sentenz, es
sei da von appellirt oder nicht, überreichen, da-
mit er sich daraus erstlichen mit seiner herr-
schaft und volgends den vorstendigen zu unter-
reden und zu ratschlagen, und alsdann nach
seinem gefallen der appellation nachkomen.
Und stehet unser meinung endlich und ernst-
lich darauf, das schlechtlich und stracks durch
aus alle und jede heimliche verlöbnus unbündig
und kraftlos sein, auch gar mit einander nichts
gelten söllen, sondern noch darzu uf dem land
nach erkenntnus einer jeden herrschaft, aber
in stetten vermöge ihrer wilkür gestraft werden.
Von jungfrauen schwechung.
[Nothzucht wird mit dem Tode bestraft. Wer
eine standesgleiche Jungfrau schwächt, hat sie zu
ehelichen. Beide werden auf 5 Jahren von allen
ehrlichen Amten, auch gesellschaftlichen Zu-
sammenkünften, Hochzeiten, Kindelbieren, Höfen,
Gärten ausgeschlossen. Wer höheren Standes eine
Jungfrau niederen Standes schwächt und sie
nicht ehelichen will, soll eine standesgemässe
Mitgift in die Hände ihrer nächsten Verwandten
leisten und den gleichen Betrag an die Armen;
bei Weigerung tritt Leibesstrafe ein; fünfjähriger
Ausschluss wie oben. Eine Person niederen
Standes, die eine Jungfrau höheren Standes
schwächt, wird nach Ermessen der Herrschaft an
Leben, Leib oder Geld gestraft. Wenn eine be-
rüchtigte Person den Vater nicht nennen will,
wird sie an den Pranger gestellt und des Landes
verwiesen. „Wann ein Weibsperson öffentlich in
der unzucht betretten oder sönst unleugbar were
und gleichwol für eine magt im börtlein, krenzlen

oder haren gehen thete, der söllen zur busse,
den andern zur scheu, die hare abgeschnitten
und geschleiert werden.]
Von ehebruch, weglaufen und
scheidung.
Nachdem wir christen, denen jetz aus gottes
wort das gesetze, dardurch sie sund erkannt, und
evangelion zur vergebung der sunden nun eine
lange zeit reichlich ist gepredigt worden, uns des-
selbigen seligmachenden worts für anderen, die
zu sölchem klaren licht der warheit noch nicht
sein kommen, rhümen und got danken und da-
gegen widerumb gebüren wil, das wir auch selber
ein ehrbarlicher und unstreflicher leben füren und
mit unsern guten exempeln neben der predig
idermenniglich reizen und ziehen söllen, das sie
auch gottes wort annemen, darnach leben und
endlich mit uns selig werden, darumb söllen wir
uns sampt allen andern streflichen lastern auch
des schendlichen ehebruchs und alles was ihm an-
hangt, ganz und gar enthalten. So aber jemand in
diesem fahl gebreche, mit nichten ungestraft bleiben.
Umb des willen ordnen, setzen und gebieten
wir, das die ehebrecher, so sie des überwiesen
oder durch andere mittel gewies schuldig er-
funden, vermög und inhalt der gemeinen recht
dieser land oder der stet wilkür, so die ein ge-
nugsame straf setzen, woe nicht nach den keiser-
lichen stracks und on alle gnad mit dem schwert
gestraft werden. Woe aber von sölchem ernst
aus irkeiner oder mehr wichtigen ursachen etwas
nachgelassen sölt oder möcht werden, das sölchs
in keinen weg on unser oder unserer rhet mit-
wissen, dabei es jederzeit stehen sölle, furgenommen,
viel weniger geschehen und volzogen werde.
Nemlich, so wie gesagt, andere ursachen mit-
laufen , die man gnad zuerzeigen ansehen möcht
oder wölt, und dazu ein ehelich weib ihren man,
der also gebrochen, verzeihen, und für ihn würd
bitten, das alsdann dem Verbrecher das erstemal
ein geld oder leib straft aufzulegen.
Item das andermal mag ihm das weib aber
verzeihen und noch für ihnen bitten und dar-
durch dem man gnad erwerben, so ursach gnad
zuerzeigen mit vorhanden, ihme söl aber dan-
nocht dits ander mal viel mehr ein hertere geld
oder leib straf, alles nach erkenntnus der herr-
schaft, gelegenheit des falles und vermögenheit
auferlegt. So dann derselbig noch zu dem dritten
mal ehegebrochen würd haben, mag sein weib
wohl für ihn bitten, söl aber nicht erhört werden,
sönder der ehebrecher on alle gnad, wie recht,
sein straf leiden. Auf sölche weis wöllen wir
auch, das es von dem weib, so ehegebrochen, aller
ding verstanden werden sölle.
 
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