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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0154
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136

Das Herzogthum Preussen.

Von der desertionund heimlichen weg-
laufen und darauf gebetener ehe-
scheidung.
Da nun ein solcher auf der obrigkeit gebot
das land räumen müsste oder aber selbsten von
seinem ehegatten sich böslich verlöre, auch sonsten
jemand ohne ehrliche ursachen von seinem weibe
und kinder heimlich davonzöge, und etliche jahre
ausbliebe, und sie also vorsetzlich und frewentlich
verliesse, wie denn leider solche untreu und weg-
laufer in diesem lande fast gemein, soll wider
denselben , sintemal solches nicht allein den ver-
lassenen zum äussersten verderben und unheil,
sondern auch uns und dem lande zu merklichem
schaden und nachtheil gereicht, folgendergestalt
procediret werden.
Die konsistoriales sollen in solchen desertions-
sachen nicht eilen, sondern zum ersten die um-
stände und ursachen, wie und warum der ent-
laufene von seinem ehegatten entwichen und so
lang aussenbleiben, mit fleiss erfragen. Item, oh
auch das klagende theil dem anderen dazu ur-
sach gegeben oder nicht, ob auch dasselbe auf
fleissiges nachforschen nach seinem ehegatten das-
selbe habe auskundschaften können oder nicht.
Item, es sollen die konsistoriales beweis und
kundschaften beibringen lassen, dass der desertor
so viel jahr, wie geklagt, hinweg gewesen, und
das klagende theil selbst züchtlich und ehrlich
gelebet. Wenn nun der sachen genugsamer grund
eingenommen und nicht hoffnung ist, dass der
entlaufene wieder kommen und die ehegatten zu-
sammengebracht werden möchten, alsdann soll der
desertor nach gemeinem brauch und stylo kon-
sistorii von der kanzel öffentlich geheischen und
geladen werden. Damit aber arme leute, sonder-
lich die so weit abgesessen, der citation halben,
mit vielen reisen nicht beschweret, oder auch
wohl gar die sache stecken zu lassen, verursachet
werden, so soll die citation auf einen terminum
peremtorium una vice pro tribus gerichtet und
derselbe desto länger angesetzt werden , damit
gleichwohl der abwesende sich keiner verkürzung
zu beschweren oder über das ehegericht zu klagen
ursache haben möge. So nun hierauf weder der
geladene selbst, noch jemand anders von seinet-
wegen sich stellt, soll das klagende theil auf die
reproducirte edicta und kundschaft der vollzogenen
ladung nach fleissiger erwägung der zeit des ab-
wesens und anderer umstände von dem treulosen
verlaufenen theil absolviret und losgezählet oder
der desertor zum ueberfluss, nach erheischung der
sachen, noch einmal öffentlich citiret und geladen
werden, und so er auch alsdann noch nicht er-
scheint, endlich und definitive geschlossen und

dem klagenden unschuldigen theil mit einem andern
sich zu verehelichen vergönnt werden.
Wenn ein bräutigam seine braut ver-
lauft und sitzen lässt.
Also und gleichergestalt soll auch wider den,
welcher sich mit einer jungfrau und wittwe
ordentlich und öffentlich verlobet, darnach heimlich
ohne billige rechtmässige ursache davon zieht,
und seine vertraute ein jahr, zwei oder drei
sitzen lässt, procediret werden.
Würde aber das ansuchende theil in casu
desertionis beibringen, dass das weglaufende theil
nach geschehenem verlöbniss unzucht und hurerei
getrieben und also die ehe gebrochen oder, dass
der bräutigam sich mit mehreren verlobt, soll es
so lang als andere verlassene zu warten, nicht
schuldig sein, sondern der desertor ordentlich ge-
laden, und da er sich nicht bald in termino ein-
gestellt, noch irgend eine ehehaft lässt beibringen,
der beweis wider ihn ordentlich vollführt und
darauf erkannt werden, was recht ist; das schuldige
condemnirte theil aber soll, um aergerniss zu
vermeiden, in unseren landen nicht geduldet und
da er hierüber betreten und sich freventlich darin
aufhalten würde, mit staupenschlägen des landes
öffentlich verwiesen werden.
Von aussenbleiben derer, welche aus
redlichen ursachen weggegangen.
Mit denen aber, welche aus nothdürftigen
ursachen in amts- oder hausgeschäften mit wissen
ihres ehegatten ausreisen und über verhoffen aus-
bleiben, soll es also gehalten werden, dass so
lange das abwesende theil am leben und dessen
gewisse kundschaft vorhanden, das andere theil
ledig bleibe und zum andern verlöbniss nicht
greife, bis es dessen, dass sein ehegatte mit tode
abgegangen, glaubhaftige kundschaft beigebracht.
Da aber das verlassene theil, wo sein ehegatte
hingekommen, ob er noch am leben oder nicht,
keine kundschaft erlangen noch erforschen kann,
soll es fünf jahre lang ihn abwarten, darnach soll
es, wenn ihm länger zu warten beschwerlich,
seinen handel den verordneten des konsistorii mit
allen umständen fürtragen, daneben seine kund-
schaft und beweis, dass sein ehegatte fünf jahre
weggewesen, item dass es auf fleissige nach-
forschung nichts erfahren können, kräftig bei-
bringen. Wann nun die konsistoriales die pro-
ducirte kundschaften für genugsam erkennen und
daneben das verlassene theil bei seinem körper-
lichen eide, dass ihme von seinem abwesenden
ehegatten einige briefe oder bothschaften oder
wissenschaft, ob er lebendig oder todt, nicht zu
 
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