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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0171
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Visitations-Abschied für Zinten von 1575.

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28. Visitationsabschied, welchen der hochwürdige herr Tilemannns Hesshusius, bischof aufSamland
Anno 1575 hat gegeben dem kirchspiel. (Auszug.)

.Der catechismus Lutheri wird allhie
auf die-.sonntage um 12 uhr gehalten und hernach
zur vesper um 2 uhr von dem diacono gepredigt.
Hiebei ist dieser mangel leicht zu erachten, wer
um 12 uhr den catechismus gehört, der wird
schwerlich um 2 uhr wieder in die kirche kommen,
die auslegung zu hören. Darum soll hinfüro diese
ordnung gehalten werden: den catechismum und
vesper soll man zugleich halten, um 1 uhr soll
man anfangen, ein psalmen zu singen; darauf thut
der diaconus die predigt und erklärt den catechis-
mum, ein gebot, articul und stück nach dem
andern. Wenn er zu end kommen ist, soll er
halt fornen wieder anfahen. Wenn der diaconus
die fünf hauptstück dem volk vorsaget oder ab-
lieset, soll er fein langsam, deutlich und verständlich
die worte sprechen, nichts auslassen, nichts darzu-
thun, nichts endern, nichts dazwischen reden,
somit die einfeltigen nicht irre gemacht werden.
Hiernach soll er auch die auslegung Lutheri über
ein stück dem volk lassen vorsagen, damit es
fasse, wer es fassen könne. Hiernach soll der
pfarrer samt dem diacono unter die zuhörer treten,
wie er in der visitation gesehen, und die jungen
leut, knaben und mägdlein, auch dienstboten den
catechismum fein aufsagen lassen. Wer die stück
nicht kann, den sol er für sich bescheiden und
ihn unterrichten. Er sol auch alle jahr einmal
die aufm lande und in der stadt besuchen und
erkundigen, ob die hauswirt sampt irem gesinde
die hauptstück des catechismi üben und lernen.
Er sol auch bisweilen die zuhörer im catechismo
oder auch in der beicht fragen, wie viel personen
in der gottheit sind, ob man Christum sol anrufen,
ob sie das gesetz gehalten haben, wer unser
heiland sei, womit uns Christus erloset habe, wie
wir die sünde los, für gott gerecht und selig werden.
Welche nun nichts, oder unrecht antworten, soll
der pfarrer eines besseren berichten, auch often
in der predigt erklären, wie man nach und aus
gottes wort auf solche fragen recht antworten sol.
Wenn irrige ehesachen furfallen und an den
pfarrer gelangen, also von heimlichen oder offent-
lichen verlöbnissen, von weglaufen oder ehe-
scheidung, sol der pfarrer vorsichtig faren und
auf sich allein nichts nemen, die sachen zu vor-
abscheiden, sondern mit nottürftigem bericht an
den bischof auf Samland und an das consistorium
zu Königsberg zum ehesachen verordent, remittiren
und weisen, indes aber stille halten und abschieds
vom herrn bischof und consistorio erwarten.
[Es folgt eine Warnung vor heimlichen Ver-
löbnissen.]
Sehling, Kirchenordnungen. IV.

Wenn aber personen im beisein der eltern
oder vormünder sich offentlich mit einander verlobt
haben, soll sich niemant unterstehen, durch ver-
trag oder rezess solche von einander zu scheiden.
Kein teil sol auch für sich das ander ledig zahlen,
sondern was für irrungen und spaltungen in ehe-
sachen fur fallen, sollen die parten in obgedachts
consistorium bringen.
Nachdem diese kirchen nahe beim papsttum ge-
legen ... [soll der Pfarrer die streitigen Lehrpunkte
oft behandeln und seine Zuhörer warnen]. Wenn
er erferet, das seine zuhörer so vergessen sind, das
sie ire kinder ins pabsttum geben und aussteuren,
oder das gesinde, so bei uns gotteswort gehoret
und das heilige nachtmal nach der einsetzung des
herrn Christi empfangen hat, wieder ins pabsttum
läuft und alda unter einerlei gestalt das sakrament
sampt den papisten nimmt oder messe horet und
also für ein gliedmass der päbstlichen kirchen sich
bekennet, hernach aber wider in das herzogthum
sich findet und das nachtmal neben anderen
christen begeret, den oder dieselben soll der
pfarrer nicht absolviren, noch zum tisch des herrn
; gehen lassen, es sei dann, das sie vermug der
kirchenordnung offentliche busse gethan und inen
die schwere sund leid sein lassen, das sie von
; gott abgefallen und Christum, den son gottes,
verleugnet haben . . .
Alle kirchspielskinder, so wol fürstlicher
durchlaucht, als deren vom adel leute sind schuldig,
dem pfarrer seine zeune um die widem, gerten
und sonst, so wol als auch die ricken 1) in den
feldern zu machen und in baulichem wesen zu
behalten, solchs vermug nicht allein die alte
preussische kirchenordnung, sonderm auf einhelligen
beschluss und verwilligung einer ganzen erbaren
landschaft auf dem rastenburgischen landtag ver-
glichen . . .
[Die Pfarrhufen sind als Kirchengüter von
allen Lasten, Wege-, Brücken-, Bau-Beiträgen,
vom Hirtenlohn usw. befreit. Der Pfarrer erhält
„wie in der visitation anno 1543, welcher sein
fürstl. durchlaucht zu preussen zu eigener person
beigewont, verordnet und noch bei vielen kirchen
breuchlich“ von jedern Kirchspielskinde „vom
rauch ein fuder holz“. Ein Haus für den alten
Pfarrer ist vorhanden. Die Kirchenväter sollen
mit Rath des Pfarrers erkoren und von den
Lehnsherren vereidet und bestätigt werden.]
[Die folgenden Vorschriften über die Kirchen-
väter bieten nichts besonderes.]
In unserer preussischen kirchenordnung ist
1) ricken = Einfriedigung.

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