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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0214
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196

Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen.

Mit ihrer besoldung sollen sich die officianten
begnügen lassen und darüber kein bedegeld
fordern. Auch über sich selber kein ander volck
oder gesinde, auch nicht ihre ehegatten mit sich
in die kostung bringen, auf das aller unrat und
unterschleif soviel demehr verhütet bleibe, alles
bey verlast ihres lohnes.
19. Den officianten und denen so zu tische
dienen, sol ein suppenfleisch verordenet werden,
das sie essen, weil die braudt in der kirchen ist.
Nach der malzeit sollen sie an deme, was ihnen
von der übergebliebenen1) kost mit getheilet
wirdt, gesettiget sein, und darüber niemanden
drengen oder nötigen bei voriger strafe. Den
spielleuten sol essen gegeben werden, wen sie
zum ersten gerichte mit ihren instrumenten umb-
gespielet haben.
20. Die schüler von dem chor, dergleichen
organisten, calcanten, hofmeister vom stadthofe,
stadtdiener und anderer dergleichen sollen nicht
befuget sein, speisse aus der kostung zu fordern,
niemand sol ihnen auch schuldig sein, zu geben
bei peen einer guten mark, so wol auf den der
es gibt als der es nimmt.
21. Ein jeder, der koste machet, sol die
anordnung thun, damit die malzeit auf die glock
drei entscheiden, geendiget und das letzte gerichte
aufgehoben sei, und alss dan der tanz angefangen
werden, bei- peen 2 guter mark. Damit doch die
nachgerichte als obst und kuchen nicht sollen ge-
meinet sein.
22. Zu dem tanze sol sich niemand ein-
drengen, über die denen die verordente tanz-
meister zu den ersten dreien tenzen ein frau
oder jungfrau zugeführet wirdt. Und sollen vier
oder zum wenigsten zwei ehrliche gesellen zu
tanzmeistern geordnet werden, durch des breuti-
gams und der braudt freundschaft. — Ein ehemann
aber oder eine ehefrau mag mit seinem oder
ihrem ehegatten, auch ohne zuführen, wohl tanzen.
Nach vollenziehung der ersten dreien tenze
sol einem jedern frei sein, erbarlicher und züch-
tiger weise frauen und jungfrauen in tanze zu
nehmen. Es ist im tanzen aber fast eine bauerische
und unformliche weisse auch guten erbarlich sitten
ungemess, das man sich seltzam verdrehet und
umbkreuseldt, zu weilen an einander lauft als
unvernunftige thiere, da durch zu mehrmalen
unbequemigkeit den schwangern frauen, auch
wol 2) nachteil zugefüget und sich sonsten darbey
mehr anderes zutraget, das wol verbleiben möchte.
So soll hinfordt8) solch unordentlich verdrehen

1) 1595: uberbleibenden.
2) 1595: „wol“ fehlt.
3) 1595: forthin.

und umbkreusseln gar nicht gestattet werden. Und
auf solche grobe gesellen oder paurische tenzer
sollen die wette diener achtung haben und die
verbrecher zum nechsten sitz vorladen. Wer dann
bruchfellig befunden, der solle der wette, so oft
er sich der ungebuer verhalten, eine halbe gute
mark vorfallen 1). Und der wettdiener, der un-
fleissig were oder sich besuffe, sol drei tage
gefengnis bestanden haben. Es2) soll auch bei
dem tanze ein boser abscheulich und unzuchtiger
brauch überhandt nehmen mit dem unverscheme-
ten pussen zwischen gesellen und jungfrauen,
darüber auch geburendes einsehen sol gepflogen,
und so oft es geschieht die peen eine gute mark
verfallen und abgenohmen werden.
23. Die glocke halb fünfe sollen braudt und
breutigam ordentlicher weise zu bette gebracht
und aldar den neuen eheleuten glück gewunschet
werden bei der peen zwei guter mark, wofern
sie die stunde nicht halten.
24. Wan der seiger sechs schleget des
abends, so sol die hochzeit ganz und gar geendigt
sein und sol sich keiner von den spielleuten auch
niemandt anders unterstehen, über dieselbe stunde
ferner zu spielen, oder zum tanze ursache zu
geben, bey strafe des ankerschmiedsthurms. In
den hochzeiten aber, da die braut zu bette ge-
bracht wird, mugen sie spielen bis zu halb sieben
und nicht länger bei voriger strafe.
25. Zur abendmalzeit mag man den negsten
freunden und verwandten bei sich behalten, in
den furnembsten kostungen, da acht tische gespeiset
werden, 3 tische, wo 5 tische gespeiset werden,
zweene, und wo drei tische gewesen, einen tisch,
jedern tisch auf 12 personen gerechnet, mänlichs
und frauliches geschlechts, die zu tische sitzen.
Wer über gemeldete zahl mehr personen behalten
wurde, sol von jeder person eine halbe gute
marck strafe verfallen sein. Bei der abendmahl-
zeit sollen auch seitenspiel und tenze zugelassen
sein. Ob auch jemand ungebeten wolte sitzen
bleiben oder sich zur abendmalzeit nötigen, dem
sol nicht verstattet werden , der gebetenen geste
stelle einzunehmen. Sondern man mag in als
einen ungebetenen gast hinter die thüre setzen
und den schimpf sol er sich selber zu schreiben.
26. Hierbei sol genzlich verboten und auf-
gehoben sein, irkein nachtag zu halten bei der
peen zehn guter marck3 *).

1) 1595: verfallen sein.
2) In 1595 fehlt der ganze Absatz: „Es soll -
abgenohmen werden.“
3) In 1595 folgt hier noch: Schliesslich sol auch
hiemit das silberwerk auf den hochzeiten abgeschaffet
sein, ausgenommen kannen, giessbecken und giess-
kannen, und dan silberne löffel.
 
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