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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0249
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Kirchenordnung für Thorn 1560—1570.

231

abentmals begerten, so soll es inen nicht ehe
gereicht werden, sie haben den zuvor der lang-
wierigen verachtung mit warhaftiger busse erkand,
und der christlichen gemeine offentlich lassen
abbitten.
[Am Rande: examen im beichtstuhl.)
Nicht weniger sollen die seelsorger trachten
und vorhueten, mit fleissigem examinieren im
beichtstul, das niemand mit unvorstand und un-
bussfertigkeit, mit unvorsönlichem zorn wider den
nechsten und anderen forsetzlichen sünden das
abentmal unwirdiglich zum gericht empfahe.
Der funfte artikel vom strafamt.
Das strafamt aus dem gesetz wider die
sicheren ist ja so nötig als das trostamt aus
dem evangelio gegen den betrubteren, und sollens
die seelsorger ernstlich gebrauchen beide heimlich
und offentlich, heimlich an den verborgenen
sundern vermöge des process von Christo Matthei 18.
beschrieben, offentlich aber an den bekanten
sundern, vermöge des bevels S. Pauli, 2. Thimotli 5.:
Die da sündigen die strafe vor allen, das sich
auch die andern furchten. Nach dieser regel
strafet S. Paulus zum Gallatern im 2. Petrum
for der ganzen gemeine, den er doch zuvor nie
hette heimlich gewarnt. Item der herr Christus
Matthei 23 schreiet offentlich das ewige wehe
uber die phariseer und schriftgelehrten, an vor-
gehende heimliche vermanung. Also sollen diesen
exempeln und regel nach alle treue seelsorger
auch thun und das offentliche feuer falscher lehre
oder ergerlichen lebens mit offentlichen strafen
auch leschen und dempfen. Sollt es auch gleich
mit ausdrucklicher namkundigung der theter zu-
gehen und sollen sich die kirchendiener in solchem
strafamt nicht irren lassen, die spruche von der
sanftmuth und lindigkeit, welche allein auf die
heimlichen und schwachen und nicht auf die
offentlichen und vorsteckten sünder gerichtet sind.
Wie Sanct Paulus in der andern zum Thimoteo 2
beides gebeut, die lindigkeit, da er saget, ein
knecht des herrn soll nicht zenkisch sein, sondern
freindlich gegen jedermann, und doch bald
setzet er dabei und strafet mit sanftmuth die
wiederspenstigen, ob inen gott dermal eine
busse gebe.
Daraus folget, das die jenigen dem heiligen
geist sein ampt hemmen, der gefallenen sünder
bekerung hindern und gott zu gemeinen land-
strafen verursachen, die das strafamt wehren,
und also die kirche des halben predigamts be-
berauben, dawider der prophet Hoseas 4 saget:
Man thue nicht schelten, noch jemands strafen,
den mein volk ist wie die, so die priester
schelten

Item Gene. 6: Die menschen wollen sich
meinen geist nicht mehr strafen lassen.
Der sechsteartikelvom christlichen
ban oder bundschlussel.
[Am Rande: Christliche bann.]
Der christliche ban kan so wenig nach-
gelassen werden, als der andern stucke eines vom
, predigtamt sintemal in Christus so ernstlich be-
folen und so oft widerholet hat als Matthei 16,
Matthei 18, Johann. 20, und ist der ban der aller
I scherfste brauch des gesetzes und strafamts, ge-
: ordnet wieder die jenigen, die der teufel in ihren
i sünden und irtumen so hart geblendet und ver-
1 stocket hat, das sie sich keine warnungen, weder
heimliche noch offentliche, zur busse lassen be-
wegen.
Gegen solchen hat der herr Christus befolen,
des gesetzes durch den ban also zugebrauchen,
das man sie fur der ganzen gemeine erklere als
solche leute, die aus gottes kirche und himmel
gefallen sind in gottes grimmigen zorn, des teufels
gewalt und ewige verdamnus, und die gemeine
vormane, sie zu meiden als die vorbanten und
doch auch fur sie zu bitten, das sie gott durch
solche scharfe rute zur busse wollte bekeren, da-
mit sie wieder mochten absolvirt und in die ge-
meinschaft der christlichen kirchen eingenommen
werden. Wie sanct Paulus 1. Corinther 5 einen
in ban thut, der seine stiefmutter genommen, und
strafet hart die ganze gemeine, das sie ihm so
lange haben zugesehen, und setzet diese ernste
wort dabei: Thut von euch hinaus, wer da
böse ist.
Also sind wir diener dieser kirchen auch
genzlich entschlossen, solches bannes gegen allen
den jenigen zugebrauchen, die in offentlichen
sunden und irthumen liegen und nach geschehenen
genugsamen vormanungen nicht busse thun.
[Am Rande: welche in bann zu thun.]
Als da sind die halstarrige vertheidiger
falscher lehre, zeuberer sampt ihren genossen,
teufelsfrager, kinder- und feuer beschwerer, drachen-
halter, flucher und marterhanse, mörder und
liegende in unvorsünlichen zorn, hurer und ehe-
brecher, sampt den wegläufern von weib und
kind, versoffene prasser und spieler, auch alle
wucherer klein und gross, die von geliehenem
gelde oder getreide gewin und zinse nemen.
Solte uns aber hirin uber unser zuversicht einiger
eintrage geschehen, so wollen wir himit protestirt
haben [am Rande: Protestatio ministrorum], das
nicht wir, sondern die hinderer schuldig sein an
den verlorenen seelen und an allen strafen, die
gott mochte uber die stad ergehen lassen und
sonst auch einen iglichen in sonderheit strafen.
 
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