Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0268
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
250

Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen.

Erwähnt seien auch noch die Versuche zur Vereinigung der protestantischen Kirchen
mit der griechischen Kirche (Krasinski, S. 214 ff.).
Über die weiteren Schicksale des Protestantismus in Polen, die schweren Bedrängnisse,
die derselbe namentlich seit der Wirksamkeit der Jesuiten zu bestehen hatte, und die auch
durch Uneinigkeit im eigenen Lager gefördert wurden, ist hier nicht zu handeln. Man ver-
gleiche Schröckh, Kirchengesch. seit der Reformation 2, S. 702 ff.; Jacobson I, 2., S. 264 ff.;
Laspeyres, Gesch, und heutige Verf. der kathol. Kirche Preussens. Bd. 1. Halle 1840.
S. 412 ff., 422 ff.; Friese, a. a. O. 3., S. 431 ff.; Krasinski, a. a. O, S. 236; Krause,
a. a. O. S. 40 ff.; Koniecki, Gesch. der Reformation in Polen. Posen 1901.
II. Die kirchliche Rechtsbildung unterscheidet sich naturgemäss von derjenigen in anderen
Ländern. In Polen wurde die neue Lehre nicht von den Landesbehörden eingeführt; Landes-
ordnungen für die Kirche giebt es also nicht. Das Schicksal der Bewegung hing vielmehr von
der Stellungnahme der Edelleute ab, denen ja auch 1556 officiell gestattet worden war, auf
ihren Gütern irgend einen christlichen Gottesdienst einzuführen. Die auf diese Weise gebildeten
Gemeinden hielten sich in Cultus und Liturgie nach den bekannten Ordnungen ihrer Lehre;
eigene auszubilden war weder ein Anlass, noch auch bei den unsicheren Verhältnissen die äussere
Möglichkeit gegeben. Auch in den Städten, die übrigens ja auch zumeist den Edelleuten ge-
hörten, verhielt es sich kaum anders. Vgl. Warschauer, Die Städtischen Archive in der Provinz
Posen (Mitth. d. Kgl. preuss. Archivverwaltung. Pleft 5. Leipzig 1901, und das dort citirte Material).
Die Gemeinden der verschiedenen Bekenntnisse standen zunächst weder untereinander
noch mit denjenigen der anderen Bekenntnisse im Zusammenhange. Die naturgemässe Fort-
entwicklung der Verfassung brachten die Synoden, die Zusammenkünfte der Prediger und der
massgebenden Persönlichkeiten. So bildete sich eine vollständige Synodal-Verfassung heraus,
und zwar nicht nur bei den Reformirten, die dafür ja Vorbilder besassen. Bei ihnen war diese
Verfassung allerdings am besten ausgebildet. Hierbei ist zu beachten, dass Gross-Polen, Klein-
Polen und Litthauen keine kirchliche Einheit bildeten, sondern gewissermassen drei kirchliche
Einheiten der betreffenden Confession darstellten, je mit eigenen Synoden, die zu einander keine
rechtlichen Beziehungen hatten, wenn sie auch wohl zu allgemeinen Synoden sich vereinigten.
A. Die Reformirten. Eine Anzahl von presbyterial organisirten Gemeinden
bildete einen Bezirk und eine Synode, welche das oberste Organ des Bezirkes war und regelmässig
viermal im Jahre zusammentrat. Die Synode wählte sich einen (geistlichen) Ältesten, mit dem
Titel Senior, und einen Mitältesten als Gehilfen und Vertreter. Dieser Senior leitete und berief
die Synoden und versah die Aufgaben eines Superintendenten. Daneben hatte jeder Bezirk auch
einen weltlichen Senior (politicus). Dieser wurde auf den Synoden nur von den Patronen,
d. h. den Edelleuten, gewählt. Der geistliche Älteste hatte ausschliesslich die geistlichen An-
gelegenheiten, die Lehre u. s. w. zu überwachen; der Senior politicus überwachte die äusseren
und insbesondere die finanziellen Verhältnisse, aber auch das sittliche Verhalten der Geist-
lichen und Gemeindemitglieder, er vertrat die Kirchen der Bezirkssynode nach aussen, ins-
besondere gegenüber den staatlichen Behörden.
Die Kirchen in Klein-Polen waren auf dem Höhepunkte der Reformation in acht Be-
zirke eingetheilt: Krakau, Sendomir, Zator und Oswiecim, Lublin und Chelm, Roth-Reussen
und Podolien, Belz, Wolhynien, Kiew.
Die reformirten Kirchen in Litthauen zerfielen in sechs Bezirke: Wilna, Nowogrodek,
jenseits Wilna, Podlachien, Samogitien und Weiss-Reussen.
Die wenigen Reformirten in Gross-Polen (die nur im Bezirke Cujavien sassen) waren nicht
in Bezirke eingetheilt, sondern' bildeten einen Verein unter gewählten Oberältesten und Ältesten.
Den Bezirkssynoden übergeordnet waren die Provinzialsynoden, zu denen jeder Bezirk
den geistlichen Ältesten, den Mitältesten und vier weltliche Ältesten deputirte. Die Provinzial-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften