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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0338
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Das Herzogthum Pommern.

Wittwe Gertrud Bülow in Kolberg die Ehe zugesagt, sich dann aber nach Danzig gewendet,
„ihr die Ehe aufgekündigt“ und sie sitzen lassen. Er wird dreimal peremtorie vorgeladen, am
16. October vor dem geistlichen Gericht zu Kolberg zu erscheinen und seines „verlassens und
weglaufens zu rechtbestendige ursachen“ vorzubringen. „Mit Verwarnung, wo du nicht er-
scheinest, soll nichts weniger uf der clegerin anregen in der sachen ergehen, was recht ist“.
Das vom Herzog untersiegelte Original wurde vom „Superintendern und andere mitverordente
Consistoriales des geistlichen Gerichts“ zu Kolberg dem Rath zu Danzig überschickt mit einem
Schreiben vom 21. August 1581, in welchem im Namen des Herzogs um Rechtshilfe, d. h. um Ver-
lesung von der Kanzel und Anschlag an der Kirchenthüre gebeten wird. Nach einem Vermerk
ist dieses am 17. September 1581 in der Marienkirche geschehen (Danzig, St.-A. 35, B, Nr. 2).
Aus diesen Beispielen, die sich leicht vermehren ließen, mag man erkennen, wie unsicher
die Rechtslage des Consistoriums gewesen sein mag. Überhaupt zeichnet sich die ganze Verfassung
Pommerns durch ihre ungenaue Competenz-Abgrenzung aus. Um noch mehr Unklarheit hervor-
zurufen, trat im Jahre 1573 der Pastor Jacob Kruse aus Stralsund mit einigen Thesen hervor, in
denen er die pommersche Kirchenverfassung als ein unchristlich, papistisch, teuflisch Kirchenregiment
bezeichnete. Er bekämpfte sowohl den Lehrstand, als auch die Stellung des Landesherrn. Er
behauptete u. A., dass es mit der Seligkeit unvereinbar sei, sich dem Amte eines General-
superintendenten zu unterwerfen. (Ähnlich wie zwischen dem Generalsuperintendenten Knipstro
und dem Stralsunder Superintendenten Freder [1551—1556] wurde jetzt zwischen Runge und
Kruse gekämpft, vgl. Uckeley, Runge’s Brevis designatio, Balt. Studien, N. F. 6 [1902],
S. 43 ff.) Die Errichtung von Landesconsistorien sei ein Raub an der Freiheit der
Kirche; es sei eine Abgötterei, dass Gott eine gleichförmige Ordnung in der Kirche wohl-
gefällig sei. Die Fürsten hätten ihren Unterthanen in Kirchensachen nichts zu gebieten u. s. w.
Seine positiven Vorschläge zeichnen sich durch grosse Verschwommenheit aus. Diese An-
gelegenheit verursachte zumal bei der oben geschilderten unsicheren Rechtslage solche Auf-
regung, dass man auf mehreren Synoden darüber verhandeln musste. Auf der Synode zu
Stettin von 1583 wurde die Lehre des Krusius verworfen und zwar, was seitens der Vertreter
der Lehrgewalt als besonders auffallend bezeichnet werden muss, als eine Verletzung des Amtes
und der Gewalt, welche dem christlichen Fürsten und der christlichen Obrigkeit in der Kirche
gebühre (vgl. St.-A. Stettin, Stettin. Arch. P. I, Tit. I, Nr. 43).
IV. Über das Interim vgl. Balthasar I, S. 51 ff.; Medem, S. 54 ff.; Bahlow,
S. 38 ff. In der Ztschr. für die historische Theologie (1843), Heft 4. S. 36 ff'., ist das sehr
beachtenswerthe Bedenken von Rode und Knipstro über das Interim abgedruckt. Es kann
hier nicht näher darauf eingegangen werden.
Auch von Lehrstreitigkeiten wurde die Kirche Pommerns heimgesucht. Über den
Osiandrischen Streit vgl. Medem, S. 60 ff.; Bahlow, S. 42 ff.; über den Freder'schen Ordi-
nationsstreit vgl. Bahlow, a. a. O. S. 44 ff.; G. Mohnike, Des Johannes Frederus Leben
und geistliche Gesänge. Stralsund 1837; Achelis, Lehrb. der praktischen Theologie. 2. Auff
Leipzig 1898. I, S. 165; Real-Encyklopädie zur protest. Theologie. Artikel „Knipstro“ (von
G. Kawerau). Auch Jacob Andreae ist um die Lehre in Pommern bemüht gewesen, vgl.
Andreae, Werbung in etzlichen streitigen religionsartikeln 1569 (St.-A. Stettin, Stettin.
Arch. P. I, Tit. 1, Nr. 27). Über die Correspondenz des Herzogs mit Johann Wilhelm von Sachsen
wegen der Lehrstreitigkeiten in Sachsen (Flacius, Strigelius, Victorius) s. St.-A. Stettin, Stettin.
Arch. P. I, Tit. 1, Nr. 28. Hier schlägt ein recht interessantes Rescript des Fürsten ein. Im
Zusammenhang mit den Krusischen Wirren und zur Beseitigung von Lehrstreitigkeiten und zur
Festlegung der lutherischen Lehre gegen die eindringenden calvinistischen Lehren hatten die
Theologen in mehreren Eingaben die Veranstaltung eines Generalsynodus verlangt. Der Fürst
giebt am 1. October 1587 eine ablehnende Antwort: „I. F. G. können nicht nur nicht bewilligen,
 
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