Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0174
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
dann auch dem Ministerium der Geistlichen zur Prüfung unterbreitet, danach mit den Ständen über
die Publikation beraten werden. Die Stände erbaten jedoch für ihr Votum Aufschub bis Michaelis, da
die KO „fast groß und weitleuftig“ sei, „auch unmuglich, dieselbe bei diesem landtage als ein hoch-
wichtiges werk zu examiniren und zu bewegen, S. F. G. auch selbst... wie imgleichen das ganze mini-
sterium sotane ebenmessig noch nicht vollig durchlesen und bewogen“. Philipp Sigismund gab sich zu-
nächst damit zufrieden und ordnete die Herstellung etlicher handschriftlicher Exemplare der KO an 75.
Michaelis wurde die Entscheidung wieder auf den nächsten Landtag verschoben; erst auf dem Landtag
am 21./22. Januar 1602 äußerten sich die Stände, und zwar lehnten sie die Annahme der neuen KO
ab, mit der Begründung, sie sei „weitleuftig“, und baten, es bei der KO Eberhards bleibenzulassen 76.
Philipp Sigismund gab seinen Plan, die neue KO durchzusetzen, aber noch nicht auf. Auch waren unter
den Pastoren Anhänger der neuen KO - einige von ihnen hatten sie ja auch verfaßt denn im Pro-
tokoll des Landtags vom Januar 1602 heißt es, die Pastoren hätten „vielfeltig umb richtigmachung der-
selben gebeten“, und im Protokoll des Landtags vom 15. Januar 1605 77, auf dem die Frage nach der
KO nochmals ergebnislos aufgegriffen wurde, „das die [kirchenordnung] mochte verbessert werden, wor-
umb ihre F. G. von den predigern angelaufen“. Jedenfalls ließ Philipp Sigismund seine KO 1606 in
Lemgo samt einem sie für Gesetz erklärenden Mandat vom 18. Januar 1605 drucken. Spangenberg 78
zufolge wurde sie dann erst 1607 publiziert. Trotz der Beschwerde von Ritterschaft und Stadt auf einer
Konferenz mit dem Domkapitel am 8. September 1608 79 ist sie auch von praktischer Bedeutung für das
Stift und sogar noch über dessen Grenzen hinaus 80 geworden. Zwar verpflichteten sich die Kaplane an
der St. Johanniskirclie in Verden Franziskus Flor und Hermann Schacht in ihren Reversen vom 19.Juni
1623 bzw. 8.Januar 1628 neben der Augsburger Konfession nur auf die „Verder kirchenordnung“
schlechthin, ohne diese näher zu bezeichnen 81. Aber Wolters 82 zufolge ist die KO von 1606 noch im
Jahre 1718 in acht von dreizehn Gemeinden des Stifts im Gebrauch gewesen. Eine noch jetzt im Pfarr-
archiv Schneverdingen vorhandene Akte betr. die Generalvisitation von 1718 zeugt von dem Gebrauch
der KO in der dortigen Kirche um diese Zeit. 1769 freilich war die KO bei der Schneverdinger Kirche
nicht mehr vorhanden 83. - Die KO Philipp Sigismunds dürfte auch in der Urkunde der Königin Chri-
stina von Schweden vom 15. Oktober 1651 84 gemeint sein, in der der Stadt Verden ihre alten Privilegien
und Freiheiten bestätigt wurden. Es heißt dort: „Alß wir auch befinden, daß bey diesen herzogtumben
eine gewiße kirchenordnunge obhanden, selbiges herzogtumb aber beneben dem herzogtumb Brehmen vieler
land und leuten zuträglicher respecten halber numehr, jedoch vorbeheltlich eines iglichen sonst abson-
derlich habenden und hergebrachten consistenz, unter eine regierung gezogen, dahero weiter in beeden
herzogtumben gleichmeßig ein einziges consistorium angeordnet und sowoll ratione articulorum fidei alß
in agendis und sonsten eine gleichmeßige kirchenordnunge mit zuziehung eines iglichen fürstentumbs
stände gestiftet, verfaßet und observiret werden muß, so wollen wir auch darzu, vermittelß göttlicher ver-

75 Vgl.das Landtagsprotokoll vom 25.Juni 1600 im Staats-A. Hann.: Stade Br. Arch. Des. 8a Fach 19 Nr. 1,
Stück 22; auch im Stadt-A.Verden: A XX 4, 2, danach E. Heyken, 15f.; dazu Ch. G. Pfannkuche, Miß-
billigung, 31 1f., und Die neuere Geschichte, 95f.

76 Vgl. das Landtagsprotokoll im Staats-A. Hann. aaO. Stück 23; auch E. Heyken, 16. — Wenn die Angabe der
Jahreszahl 1601 in diesem Protokoll nicht auf einem Irrtum beruht, so müßte in diesem Jahr auf einem am 27. Juni
gehaltenen Landtag nochmals über die KO beraten und die Entscheidung wiederum auf Michaelis vertagt sein.

77 Im Stadt-A.Verden: A XX 4, 2, danach E. Heyken, 16. 78 C. Spangenberg, 228.

79 Das Protokoll im Stadt-A.Verden: A XX 4, 2;vgl. E. Heyken, 16f.; auch Ch. G. Pfannkuche,Mißbilligung,
312f., und Die neuere Geschichte, 96.

80 Zur Benutzung der KO im Stift Osnabrück vgl. unten, Einleitung zu „Stift Osnabrück“, S. 221. Sonst vgl. E.G.
Wolters, Kirchliche und sittliche Zustände, in: ZnKG 19 (1914), 31. Danach hatten, der Visitation 1716/1721 zu-
folge, je eine Kirche in Zeven-Ottersberg und Osterstade-Vieland die KO gleichfalls angenommen.

81 Die Originalreverse im Stadt-A.Verden: G IV 1, 1.

82 Vgl. E. G. Wolters, aaO. 31f. 83 Vgl.E. Heyken, 20.

84 Original im Stadt-A.Verden: A XII 1. Vgl. auch J. H. Pratje, Altes und Neues VI, 152f.

142
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften