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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0233
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Kirchenordnung 1606

in solchen und dergleichen fellen muß der pastor
den küster neben sich und zur hand haben.

Zum dritten sollen sie es in der kirchen fein sau-
ber und reinlich halten und dieselbige oft unden und
oben außfegen, die taffeln auf dem altar zu rechter
zeit auf- und zutun, das kirchengerete zu waschen,
so oft es nötig, befordern und insonderheit die kirch
und alles wol verschliessen.

Zum vierden, so sollen sie nicht weniger als die
juraten mit achtung auf die kirchhöffe geben, wie
allbereyt gemeldet, dafür sie dan zur ergetzung 67,
das graß auf dem kirchhoff abzumeyen, erlaubniß
haben sollen.

Zum fünften sollen sie keinesweges verseumen,
sondern jedesmal zu rechter zeit die betteglocken 68
leuten, damit zugleich umb zeitlichen frieden und
für andere gemeine und eigene not gebeten werde.

Zum sechsten sollen die küster in flecken und auf
den dörfern kinderschulen 69 halten und die kinder
in lesen, schreiben etc. unterweisen. Fürnemblich
aber sollen sie den tenellulis animis den heiligen
catechismum 70 wol einbilden und denselbigen ohne
unterlas und aufhören fleissig treiben 71.

Zum letzten: So auch unter den küstern befun-
den würden, die sich gegen ihre pastorn frevent-
lich auflegen und denselben in ihrem ambte den ge-
bürlichen gehorsam entziehen wolten und sich son-
sten trotzig, mutwillig und verwent erzeigen oder
seufer und schwelger sein und also vielfeltig erger-
niß geben würden, die soll der superintendens vor
das consistorium citieren, und woferne solche ge-

67 = Vergütung; vgl. oben S. 188, Anm. 5 a.

68 Vgl. oben S. 155 mit Anm. 44.

69 Vgl. oben S. 192, Anm. 21; dazu Grubenhagener KO,
Sehling VI, 2, 1059.

70 Vgl. oben S. 149 mit Anm. 20.

71 Vgl. KO für Lippe, Spiegelberg und Pyrmont u.
Oldenburger KO, aaO.

72 IndenvonJ. H. Pratje mitgeteilten Erläuterungen
und Verbesserungen zu unserer KO (vgl. Einleitung,
oben S. 143) heißt es hierzu: Die küster sollen zu
vorfallender gelegenheit mit der collatoren vorwis-
sen ihres dienstes entsetzet werden.

73 Ähnlich wie in diesem Absatz heißt es in der Funda-
tionsurkunde für die humanistische Schule in Ver-
den vom 29. März 1578 (Originalurkunde im Staats-
A. Hann. in doppelter Ausführung: Urk. Domstift
Verden Nr. 363 und 364): Nachdem verordnung und
underhaltung der schulen ein gar hochnöttig, nütz-
lich und Gott wolgefellig werk ist, nicht allein der

sellen keine besserung versprechen und wirklich
leisten wolten, als sollen sie durch das consistorium
ihres ambtes entsetzet und also ihres dienstes pri-
viert werden 72.

Das vierte und letzte teyl dieser kirchen-
ordnung:

Von schulen, visitation und erhaltung derseiben.

Auß langwiriger und vielfeltiger erfahrung ist ge-
wis und unleugbar, das bestellung und erhaltung
der kinderschulen ein hochnötig und Gott wol-
gefellig werk ist; den wo die schulen recht bestellet
und fleissig bedienet werden, da werden nicht allein
die kinder und jugend im lesen, schreiben, guten
künsten und sprachen wie auch im heiligen cate-
chismo unterwiesen, sondern es werden auch leut
in und bey solchen studiis auferzogen, die hernach-
mals zum geistlichen und weltlichen regiment ge-
schickt und tüchtig sein, auch, wenn sie erwachsen
und etwas dapfers proficieret, nützlich und frucht-
barlich können gebraucht werden 73.

Dagegen aber und hinwiederumb, wo die schu-
len nicht recht bestellet und unfleissig bedienet
werden, da können weder kirchen noch weltlich
noch heußlich regiment 71 ein gut gedeyen und fort-
gang haben.

Derwegen soll die obrigkeit höchsten und ernst-
lichen fleiß anwenden und stettig dafür sorgen, das
kinderschulen in stätten, flecken und dörpfern [!]
aufgerichtet und erhalten, auch mit tüchtigen

jugent halber, das die in wahrer gottesfurcht, gutter
zucht und disciplin, in dem heiligen catechismo und
sprachen auferzogen und underweiset werden möge,
wie solches Gott im alten testament selbst gebotten
hat: Acues verbum meum filiis tuis etc. [Dt 6, 7], son-
dern auch darumb, das gelerte leut erzogen werden,
die hernacher zur kirchen und weltlichem regiment
tüchtig und bequem sein mögen; dann die schulen
gewißlich seminaria ecclesiae et reipublicae sein [vgl.
Mon. Germ. Paed. 38, 245] und aiso derwegen
Pericles nicht unrecht gesagt, quod scholas tollere,
sit solem e mundo tollere... (vgl. Sehling VI, 1,
568). - Vgl. zu diesem Absatz unserer KO auch den
entsprechenden, ganz ähnlichen der Oldenburger
KO, Bl. Kk III; ebenso der Hoyaschen KO, Seh-
ling VI, 2, 1176.

74 Die drei Stände nach Luther; vgl. Kl. Kat., Haus-
tafel; Bek. Schr., 523 ff.; Von den Konziliis und Kir-
chen. 1539; WA 50, 652.

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