Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0294
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stadt Osnabrück

by uns die früchte und werke deß evangelii kegen
unsern negesten.

Deß Sondages und up de festdage scholen de dia-
ken ummegaen und sammelen in den büdel under
der predike. Und datsülve geld, so gegeven wert,
schollen sie ungetellet in de kasten geten. Overst
alle veerteyn dage deß Sonnavendes 76 schollen die
diaken dat geld ut der kasten nemmen und ut allen
kercken tosamende bringen to Unser Leven Frowen
to twölf uhren des middages und avertellend und ver-
delend under sick, dat idt den hußarmen in den ker-
spelen utgedelet werde. Idt schall averst die summa
upgetekent werden in ein sunderlick bock,deßgelik-
ken oick, wovele enen ideren armen gegeven wert.

Welüchen 77 leddichgengeren, idt sin mans yffte
frouen, schall ut der kasten dorch de diaken nichtes
gegeven werden, sondern erlicken, hußarmen mans
und frouen, de verkranket 78 yffte süß verarmet
sind worden.

Deßgelicken ock armen, erlicken junkfruwen,
mägeden. Und scholen die namen alle düssen 79 ar-
men, den man ut der kasten geven will 80, up ein
sonderlick register geteickent syn, darmet man
wette, wovele der rechten armen ein ider kerspel
hebbe. Idt schollen desülven armen ock van eren
pastor gude tüchnusse hebben, dat se gottfrüchtig
sind und gerne Gades wort hören und tom hilligen
sacramente gaen; wente schänders und lästerers
Gades wordes schal man nicht geven, darmit idt
dat ansehen by uns nicht hebbe, als hülpe wy mit
der armen kasten leddiggang und boverie 81 sterken.
Man schal ock allen flit vorwenden, so man weß

76 Die Lübecker KO hat ein Kapitel: „Utdelinge alle
weke des sonnavendes.“

77 Welich = mutwillig; vgl. Schiller und Lübben
V, 663.

78 Druckvorlage: verkrambet. Unser Text nach der
übrigen Überlieferung, dort: vorkranket. — Vorkran-
ken = beeinträchtigen; vgl. Schiller und Lüb-
ben V, 382f.; Lasch und Borchling I, 850.

79 Niederschrift (Fink): dusser; Legerbuch: deßer.
80 Niederschrift (Fink) und Legerbuch: wert.

81 = Büberei; vgl. Schiller und Lübben I, 410.

82 = Nachteil; vgl. oben S. 247, Anm. 9.

83 Die übrige Überlieferung: armer.

84 Vgl. Lübecker KO : „Der armen diakene“ und die fol-
genden Kapitel (Sehling V, 365ff.), die jedoch ganz
den Lübecker Verhältnissen angeglichen und für
Osnabrück nicht nachvollziehbar waren.

85 Mantides = Zeitraum eines Monats; vgl. Schiller

könde ut der armen kasten veröveren ohne scha-
den und nadel 82 der armen to behoeff armen 83
schöler und studenten, der wy hernamals in dem
predigampte yffte in der schole gebrucken können.

In einen ideren kerspel scholen vier diaken 84 yffte
armendener erwelet werden van den borgeren und
inwaner des kerspel. Dessülven scholen frame, gott-
früchtige, unberochtige menne syn, de gude tüch-
nüsse hebben by iderman. Desse scholen dat geld
sammelen und utdelen den armen. Und scholen ein
mantides 85 de twe und darna also de anderen twe
des Sondages mit dem büdel in der kercken um-
megaen, deßgelicken ock den armen utdelen. Idt
scholen averst disse diaken dorch den pastor des
kerspels und enen radtman, vom ersamen rade darto
verordent, erwellet werden. Und so idt die borger
nicht gerne wolden annemen, schal sie de pastor bid-
den und flitich vermanen ut Gades worde, dat se sick
solckes amptes nicht willen schemen umme Christus
willen, de vor uns ock is arm geworden und hefft uns
ewig ricke gemaket [2. K 8,9]. Darto, so hebben sick
ockgrote hilligen, als Sunt Steffen und Sunt Lau-
rentius 86 und dergelicken mehr, to sülcken guden
werke, den armen to denende, gebruken laten etc.

Van krogerie to vorbeden des Sondages
vor den 87 prediken.

Idt iß nödig, dat ein ersam radt Gade und sinem
hilligen worde tom ehren verbeden late, dat des
Sondags vor deme sermone und der misse sick ider-
man der krogerie und des barnewines 88 to verkopen
entholde 89.

und Lübben III, 32.

86 Laurentius war Diakon unter Papst Sixtus II.,
† 10. August 258 als Opfer der Valerianischen Ver-
folgung. Die Nachrichten über ihn sind durch die
Legende überrankt. Vgl. Ambrosius, De officiis mi-
nistrorum I, 204ff. II, 140f.; MSL 16, 84ff. 141;
Augustin, Sermo 302—305; MSL 38, 1385ff.; Leo
d. Gr., Sermo 85; MSL 54, 434ff. Vgl. auch Seh-
ling VI, 1, 398 mit Anm. 17 und 18.

87 Niederschrift (Fink): dem; Legerbuch: der.

88 Barnewin = Branntwein; vgl. oben S. 227, Anm. 8.

89 H. Hoyer, 182, sieht in dieser Forderung des Bon-
nus einen Hinweis auf besondere „Trinkwut“ in
Osnabrück. Doch finden sich derartige Forderungen
bzw. Verbote auch andererorts; vgl. Quakenbrücker
Verordnung von 1543, oben S. 227; Göttinger KO
von 1531, Sehling VI, 2, 911; Calenberger KO von
1542, Sehling VI, 2, 795; Münder Statuten von

262
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften