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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0352
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stand zu leisten; mehrere wurden des Amtes entsetzt 76. Inzwischen bemühte sich der Graf, lutherische
Prediger von außerhalb zu erhalten 76.

Dem späteren Bericht der Lutheraner zufolge soll die KO von 1535 gedruckt worden sein 77. Aber,
soweit bekannt, ist kein gedrucktes Exemplar der KO erhalten 78. Ausführungsgutachten und Ein-
führungsmandat sind wiederum in Form von Abschriften aus dem 16. Jh., die in den Penborgschen
Kollektaneen enthalten sind, überliefert. Danach sind sie bei Meiners79 gedruckt. Auch wir legen dem
Druck die Abschriften der Penborgschen Kollektaneen zugrunde. Die Agende war lange verschollen.
Sehling fand sie in Form eines mutmaßlichen Kanzleioriginals im Staatsarchiv Aurich 80 und ver-
öffentlichte sie 81. Wir folgen derselben Druckvorlage. Das gesamte Ordnungswerk (Agende, Ausführungs-
gutachten, Einführungsmandat): Text Nr. 2 (I).

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die KO von 1535, soweit sie Gesetz war, eine Zeit-
lang weitgehend durchgeführt wurde 82. Das Einführungsmandat wurde 1537 in verschärfter Form er-
neuert; gleichzeitig erhielten der Pastor in Petkum, nachmaliger Propst und ehemaliger Priester der
Kirche zu Emden, Dr. Johann Hornemann, und der Häuptling zu Uphusen, Hicco Howerda, den Auf-
trag, durch Visitationen für die Durchführung und Innehaltung der KO Sorge zu tragen 83. Der außer-
territoriale Wächter über das ostfriesische Kirchenwesen, der Herzog von Geldern, starb jedoch 1538 83a,
Enno selbst zwei Jahre später, und die Gräfin Anna zeigte bald ihre Neigung zur reformierten Richtung.

Immerhin forderte noch die Polizeiordnung von 1545 die Beachtung der KO von 1535, und die
ostfriesische Interimsordnung fußte teilweise auf dieser sog. „Lüneburger KO“. Nach der späteren Dar-
stellung der Lutheraner ist sie bis 1554 allgemein gehalten worden und darüber hinaus in etlichen luthe-
risch gebliebenen Gemeinden 84. Die Jahreszahl 1554 dürfte jedoch zu hoch gegriffen sein. Die Luthe-

75 Vgl. E. Beninga, Chronyk, 703f.; Brief des Borssumer Predigers Aquilomontanus an Bullinger vom 10. August
1539, Auszug bei E. Kochs III, 98ff.; auch Kochs III, 105ff.

76 Zeitweise war auch der Hoyasche Prediger und Reformator Mindens, Nikolaus Krage (vgl. oben S. 237, Anm. 51),

in Ostfriesland, wobei nicht sicher ist, ob er gleichzeitig mit den Lüneburgern oder nach ihnen dort wirkte; vgl.
U. Emmius, Historia, 891; Bericht, 23. Im Januar 1535 bat Graf Enno den Herzog von Lüneburg um zwei
andere Theologen, den Magdeburger Prediger Theodor Budtmann und den Konrektor der Braunschweiger Latein-
schule Bemigius Groningen; vgl. den Brief der Lüneburger vom 9. Januar 1535, abgedruckt in: ZnKG 12 (1907),
239f., dazu die Korrekturen bei E. Kochs III, 91, Anm. 5; vgl. auch ebd. 92, Anm. 1. Aus der Sendung Budt-
manns und Groningens scheint nichts geworden zu sein. — Wie aus dem in Anm. 68 genannten Schreiben Onder-
marcks an die ostfriesischen Grafen hervorgeht, hatte Ondermarck dann von den Grafen den Auftrag erhalten, nach
Wittenberg zu reisen, „eynen guden prediger to vorforderen“. „Dwile dan her Mattheus in synen schriften vor-
meldet, dat ick my der reiße na Wittenberge scholle entholden beß to syner ankumpst und J. G. widern beschet, szo
hebbe ick sollichs J. G. ansinnen nach underlaten willen... Demnach ßo is an my eyn prediger vorschrewen. Desulvige
schall gelert syn und wert in kort alhir to Zelle ankomen. Derwegen ick my noch eynen dag edder ver will entholden
und den prediger ersten upt flitigeste examineren und vorhoren. Szo ick denne in ome befinde, dat he geschicket
und woll gelert sy und J. G. denen moge, will ick ohne J. G. toschicken und de reise gehn Wittenberge underwegen
laten...“ (Druck in: JbE 7, 2, 107f.). Um welchen Prediger es sich hier handelt, läßt sich wohl nicht mit Sicher-
heit sagen. Zu Johann de Brune, auch zu Antonius Corvinus, den man schon im Herbst 1534 zu gewinnen hoffte,
s.unten. 77 Vgl. Gegenbericht, A VII (H. Garrelts, 104).

78 So schon J.F. Bertram, Reformations- und Kirchen-Geschichte, 48f.

79 E. Meiners I, 143-156 (plattdeutsch und in niederländischer Übertragung) und 591-608.

80 Rep. 135 Nr. 6, Stück 1, Bl. 6-15.

81 E. Sehling, Die ostfriesische KO 1535. Der Abdruck ist teilweise, besonders am Anfang, sehr fehlerhaft.

82 Vgl. auch H. Reimers, Gestaltung, 46f. J.Weerda, Entstehung, 23ff., weist für Emden nach, daß die Ordnung
dort befolgt worden ist. Vgl. auch Weerda, Experiment, 174.175.

83 Vgl. E. Beninga, Chronyk, 708f.; U.Emmius, Historia, 896; E.Meiners I, 136. 140. 158; E. Kochs
III, 108f.; H. Reimers, Gestaltung, 47; J. Weerda I, 24. Zu Johann Hornemann vgl. P.F. Reershemius,
648. 188. 286f. 463; Ph. Meyer, Pastoren I, 384. II, 270.

83a Wie sich aus Kölner Akten ergibt, bestanden ausgerechnet nach dem Tod Karls von Geldern Bestrebungen der
ostfriesischen Grafen, ihr Land zu rekatholisieren, die wohl mit Johanns katholischen Heiratsplänen zusammen-
hingen, aber offenbar in den Anfängen steckenblieben; vgl. F. Ritter, Gegenreformationsversuch.

84 Vgl. Gegenbericht, A VII. B IIIff. (H. Garrelts, 105. 109ff.);Von Norden, G I (Garrelts, 170).

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