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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0355
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über die Disziplin der Geistlichen zu wachen 4. - Die Aufgabe des Kirchenrates wurde von a Lasco da-
hin umrissen, daß er die Sitten der Bürger zu untersuchen, zu ermahnen und im äußersten Fall im
Namen der ganzen Kirche den Bann zu verhängen habe 5. Doch fehlen für die ersten Jahre unmittel-
bare Zeugnisse über die Wirksamkeit des Kirchenrates im einzelnen 6.

Die Kirchenzucht lag a Lasco sehr am Herzen. Er trug sich mit dem Gedanken der Erstellung
einer Zuchtordnung für die ostfriesische Kirche, wobei ihm die Kölnische Reformation von 1543 als
Vorbild vorschwebte 7 . Diese hauptsächlich von Melanchthon und Bucer verfaßte Ordnung sieht eine Kir-
chenzucht ausschließlich innerhalb der kirchlichen Gemeinde vor.

Vermutlich plante a Lasco nicht nur eine Zuchtordnung, sondern eine umfassendere Ordnung für
das Kirchenwesen in Anlehnung an die Kölnische Reformation. Der Plan kam jedoch nicht zur Aus-
führung. Übrigens bezeugt a Lasco selbst, daß ihm an Einheitlichkeit der Zeremonien nichts gelegen sei.
Hier wollte er jedem freie Hand lassen 8.

Neben dem Gutachten der Lüneburger Prädikanten und der Kölnischen Reformation haben wohl
auch die Straßburger Ordnung von 1534, diese aber kaum entscheidend, Privatschriften Bucers, die
Züricher Prädikantenordnung von 1532 und Calvins „Institutio“ von 1543, vielleicht auch das Genfer
Vorbild eingewirkt 9.

4 Vgl. Bericht, 306ff.; E. Meiners I, 279ff.

5 Brief an Hardenberg vom 26. Juli 1544 (A. Kuyper II, 575): Breviter, post multos clamores id tandem effeci,
ut nobis ministris adiuncti sint quatuor cives, viri alioquin graves, et, quantum iudicare possumus, pietatis studiosi,
qui a tota ecclesia potestatem nobiscum habeant in mores civium inquirendi, admonendi quenquam sui offici [!] et
ad extremum etiam nomine totius ecclesiae excommunicandi nobiscum, si quos admonitionum nostrarum contemp-
tores haberemus. - Vgl. dazu J. Weerda I, 49ff.

6 Vgl. J. Weerda, Experiment, 178. - Etwas über die Tätigkeit des Kirchenrates in dieser Zeit erfahren wir durch
G.Faber, H I: Doch dat wy hyr ein weinich seggen van unser kercken to Embden, so ysset der ganzen gemene apen-
bar, dat wy aver velen jaren flitigen darna geringet hebben, dat wy de utslutinge edder bann mit christliker ordeninge
mochten wedderümme invören. Idt ys ungeverlick aver söss, söven jar, dat wy dar etlike predige int apenbar van
gedan unde senioren edder olderlingen alse richters aver der kercken saken darto erwelet hebben, de beyde, van unser
övericheit unde gemene in erem ampte bestediget syn, ytem dat wy sodder der tydt de ordeninge vam vormanen unde
straffen na gelegenheit der sunde, ynt heimelike edder apenbar gescheen, velen toweddern geholden hebben und ock
etlike dorch ernstlike vormaninge darhen gebracht unde tor ruwe also bedrövet, dat se ere avertredinge, dar se erger-
lick vor der gemene mede geworden weren, vor der ganzen gemene im aventmal öpentlick bekent unde mit velen
tranen bewenet hebben...

7 In dem in Anm. 5 angeführten Brief (aaO.) schreibt a Lasco: Meditamur itaque nunc formam quandam disci-
plinae in nostra ecclesia, in qua constituenda magno nobis erit adiumento episcopi tui Coloniensis ordinatio...

8 Brief an Pellikan vom 31. August 1544 (A. Kuyper II, 584).

9 Vgl. J.Weerda I, bes. 158ff. Weerda weist jedoch nach, daß a Lasco weithin eigene Wege gegangen ist, und
daß sich seine kirchenrechtlichen Einrichtungen nicht alle schlechthin mit denen der im Prinzip vielleicht vorbild-
lichen reformierten Gemeinden decken. Der Emder Kirchenrat ist wohl mit der Konvokatz in Straßburg, einem
Gremium aus den Predigern und verordneten Laien, Vertretern der Kirchspielspfleger (vgl. KO von 1534; Ae.
L. Richter I, 234f.), und mit dem Konsistorium in Genf, zu dem außer den Geistlichen auch Mitglieder des Rates
gehörten (vgl. Ordonnances ecclesiastiques von 1541; COpp II, 339), zu vergleichen, soweit es sich um die Beteili-
gung von Laien an den kirchlichen Angelegenheiten handelt. Die Konvokatz hatte aber im Gegensatz zum Kirchen-
rat keine Banngewalt; diese freilich besaß das Genfer Konsistorium. Aber in Genf sowohl als auch in Straßburg
war die Beteiligung der Obrigkeit an den kirchlichen Dingen weit stärker als in Emden. Intensiv nahm später die
Londoner Fremdengemeinde a Lascos an den Gemeindeangelegenheiten teil; aber auch in Emden finden wir dann
eine starke Beteiligung der Gemeinde. Weder Straßburg noch Genf boten dafür ein Vorbild. Vermutlich sind für
die Gestaltung der Kirchenverfassungen in London und Emden Privatschriften Bucers und Calvins Ordnungsideen
in der „Institutio“ von 1543 (a Lasco am 26. Juli 1544 an Hardenberg: ... Maxime autem habere cuperem in
reliquos Prophetas et Ioannem [Oecolampadii]. Quare fac quaeso ut habeam, Francofordiae sub mercatum. Prae-
terea Calvini postremam Institutionem, et si quid praeterea novi emisit. Reddi haec poterunt Hadriano
hospiti meo, ut is demum ad me transmittat; A. Kuyper II, 576) von maßgeblicher Bedeutung gewesen (Näheres
s. unten S. 559 ff.). — Für den Coetus können die Predigersynoden, die die Kölnische Reformation (Ausgabe Bonn
1543, Bl. CXXXXVv/CXXXXVIr) vorsieht, die Predigerversammlungen der Genfer Kirche (vgl. Ordonnances
ecclesiastiques von 1541; COpp II, 332ff.), erst recht die Züricher Predigersynode (vgl. Züricher Prädikanten-

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