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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0387
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Besitzer von Grund und Boden 36. Die ostfriesischen Grafen waren anscheinend schon früh bestrebt, die
Pfarrbesetzungsrechte an sich zu bringen. Im Gutachten der Lüneburger Prädikanten ist zwar der Ver-
such gemacht, noch etwas Rücksicht auf die alten Patronate zu nehmen 37; aber die Landesherren, be-
sonders Edzard II., setzten sich auf Grund eines vermeintlichen ius episcopale, als dessen Erben sie
sich ansahen 37 a, durch eigenmächtige Besetzung der Pfarrstellen oft ganz über die Patronatsrechte hin-
weg. Auf der anderen Seite gewann der Coetus durch das Examen der Kandidaten Einfluß auf die
Pfarrstellenbesetzung. In Emden glitt das Pfarrwahlrecht seit der Wirksamkeit a Lascos allmählich auf
eine andere Grundlage: entscheidend für das Recht auf Anteil an der Pfarrstellenbesetzung wurde jetzt
die Gliedschaft in der Kirchengemeinde. Praktisch blieb die Wahl im wesentlichen Aufgabe des Kirchen-
rates. Dem Landesherrn kam dann das Bestätigungsrecht zu, während der Magistrat zu einer unwich-
tigen Zwischeninstanz wurde. Doch waren die Rechte auch hier nicht klar umrissen und in allen ein-
zelnen Phasen des Stellenbesetzungsprozesses gegeneinander abgegrenzt 38. Erst die Landesverträge von
1595 und 1599 legten das Recht genauer fest.

Die Ehegerichtsbarkeit nahm nach der Reformation der Landesherr als sein Recht in An-
spruch und betraute 1535 mit ihrer Ausübung einen „commissarius und vorordente richteren“ 39. Das
Amt des sog. commissarius in matrimonialibus stellte die direkte Fortsetzung der vor der Reformation
durch den bischöflichen Offizial in Ehesachen wahrgenommenen Rechte dar. Auch in der Praxis wurde
dann, wie es scheint, zunächst, solange es noch Pröpste gab, an diese alte Einrichtung angeknüpft; denn
verschiedentlich erscheinen jetzt Pröpste als „commissarius generalis“ 40. Auf solche Verbindung weist
auch die Polizeiordnung von 1545 hin. Neben dem Propst als Sendrichter sind „vorordente richter“
genannt, die als Scheidungsrichter fungieren4 1, eine Funktion, die der Propst offenbar nicht hatte. Nach
Gründung des Konsistoriums 1643 wurde die Ehegerichtsbarkeit im wesentlichen dort wahrgenommen,
während das Amt des Ehekommissars zur Bedeutungslosigkeit herabsank 42. Für die Stadt Emden wurde
im Osterhusischen Akkord 43 bestimmt, daß die Matrimonialsachen im Namen des Landesherrn von drei
gräflichen Kommissaren, zwei Magistratspersonen und einem Prediger abgehandelt werden sollten 44.

Das Schulwesen Ostfrieslands muß der KO von 1529 zufolge schon vor diesem Zeitpunkt in einem
recht guten Zustand gewesen sein, da die KO bereits vorhandene deutsche Schulen für Jungen und Mäd-
chen und Dorfschulen 45 erwähnt, auch schon die allgemeine Schulpflicht in Aussicht nehmen kann 46.
Die Polizeiordnung von 1545 setzt Dorfschulen in weitester Verbreitung offensichtlich voraus 47. Für das
weitere 16. Jh. gibt es zahlreiche Einzelzeugnisse für das Bestehen von Landschulen 48. Auf niederlän-
dischen Einfluß weist die KO von 1529 hin, wenn es darin heißt, daß bei gutem Besuch der Lateinschulen
in Emden und Norden 49 eine Partikularschule nach dem Muster von Zwolle, Deventer und Groningen

36Vgl. H. Reimers, Kirchenpatronat; Kochs, Kirchengeschichte, 41ff. 54ff. - Allgemeines vgl.bei P. Hin-
schius, System des kath. Kirchenrechts... II. 1878, 637ff.; H. E. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte I 2. 1954,
166ff. mit Angaben weiterer Literatur. 37 Vgl. unten S. 383f.

37a Insbesondere infolge des Augsburger Religionsfriedens (Ablösung der geistlichen Jurisdiktion in den protestanti-
schen Territorien; Ausgabe K. Brandi 2. 1927, 44f.).

38 Vgl. J.Weerda II, 2ff.; auch H. Dirksen, 113f.

39 Vgl. Mandat zur Lüneburger KO von 1535, unten S. 395.

40 Vgl. J. König, 275ff. Es handelt sich um Pröpste aus dem ursprünglich zur Münsterschen Diözese gehörenden

Teil Ostfrieslands; vgl. dazu unten S. 404, Anm. 75. 41 Vgl. unten S. 404. 42 Vgl. J. König, 277.

43 Bei E. R. Brenneysen Tom. II, 365. 44 Vgl.J.König, 385.

45 Nach Kochs, Kirchengeschichte, 161, gab es neben den Klosterschulen an manchen Orten Parochialschulen. In
der Regel hatten diese fest angestellte Lehrer, die vielfach angehende Kleriker waren. Einzelheiten teilt Bartels,
Landschulen, 41 ff., mit.

46 Vgl. unten S. 368. 47 Vgl. unten S. 400.

48 Vgl. die Zusammenstellung bei P. Bartels, Schulwesen, 8ff.; Landschulen, 45ff.; J. M. Reu I, 3, 1, 2, 696 *ff.

49 Schon vor der Reformationszeit gab es in Emden, Norden und Leer Lateinschulen; vgl. Kochs, Kirchengeschichte,
161.

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