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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0617
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Microns Ordinancien (1554) 1565

Vergeltung der
welt für unsere
arbeit.

meßkleider, altaren, liechter, bilder, des teufels
sacramentsheußlein, klingen, beichten, orglen,
knyen, beschweren der teufel, latienisch geseng und
andere uberbliebene abergläubische ding dan x die
meßpfaffen vor das ihre. Ja, etliche (dunket mich)
sind also verblendet, daß sie von wegen das man
dise abgöttische ding verlast, sich nit schemen, die
rechte diener zu verfolgen und die oberkeit wider sie
zu erweckeny 20. Nachdem wir dise und dergleichen
stücken wol erwogen, haben wir in unser gemeine
nichts wollen einfüren, dann was da nach dem wort
Gottes zu christlicher auferbauung dienet.

Nachdem wir aber unsere außlendische gemeine
mitgrosser sorge, arbeit und schmerzen durch Gottes

x) dan] N: als

y) sich nit schemen... erwecken] N: waerachteghe

predicanten wel souden deruen veruolghen, ende de

Ouerheit teghen haer verwecken

z) hinderreden] N: opsprake [= contradictio]

a) kirchen] N: Ghemeinten

b) kirchenceremonien] N: kerckelicke ordinancien

20 Micron hatte hier wohl zunächst die englische Kirche
vor Augen, deren Common Prayer Book von 1549
einen großen Teil katholischer Riten auch weiterhin
vorsah, während die revidierte Ausgabe von 1552,
in der die Lehre dem reformierten Bekenntnis an-
genähert war, einen Kompromiß schuf; s. auch oben
S. 555, Anm. 18. Zu den Anfeindungen, denen die
Londoner Fremdengemeinde mit ihren einfachen
Zeremonien ausgesetzt war, s. oben Anm. 9. 18. Vgl.
auch S. 556 mit Anm. 28; unten Anm. 21. Weiteres
bei J. Lindeboom, 19. Aber in Microns Darstellung
mag sich auch die Erinnerung an die Flucht der
niederländischen Gemeinde aus England gemischt
haben. In den lutherischen Gebieten, in denen die
teils in kleineren, teils in größeren Gruppen ankom-
menden Flüchtlinge Asyl suchten - Dänemark, Ro-
stock, Wismar, Lübeck, Hamburg - hatte man ihnen
keine Aufnahme gewährt. Näheres darüber in Jan
Utenhoves Schrift „Simplex et fidelis narratio...
1560“, S. Cramer-F. Pijper IX, 39ff.; in Microns
Apologeticum Scriptum, 46ff.; bei Pijper, 100ff.;
J. H. Gerretsen, 36ff.; J. H. Hessels II, 5, Anm.
2; F. C. Ebrard, 70ff.; A. A. v. Schelven, Vluch-
telingenkerken, 104ff.; K. E. J. Jørgensen, 55ff.
(betr. Dänemark); Lindeboom, 20ff.

21 Tatsächlich hatte Delen die Fremdengemeinde in die-
ser Hinsicht etwas in Verlegenheit gebracht, indem
er u. a. das Knien beim Abendmahl, das in der eng-
lischen Kirche auch noch nach dem Common Prayer
Book von 1552 vorgeschrieben war (C. Fabricius,
681. LXVIf.; E.C. S. Gibson, 389), öffentlich von
der Kanzel verworfen und alle Gemeinden, in denen
die Tisch-Sitzordnung nicht üblich war, wegen

gnade Christo dem Herren geboren, genehret und
aufgebracht haben, so ist uns darfür von der un-
dankbaren welt nichts anders zu lohn worden dann
undank und hinderreden z. Dann wir von derselbi-
gen, wiewol zu unrecht (dafür wir dem Herren dan-
ken), in vilen schweren stücken beschüldiget wer-
den. Die einen schreien, wir verdammen alle andere
kirchen a, so mit uns in den kirchenceremonien b
nicht ubereinkommen 21, die andern legen uns auf,
daß wir noch zu fleischlich sind in unser ordnung und
die sünden nit gnugsam straffen 22. Vil schreien her-
gegen, wir sind zu streng, die sünden zu straffen,
und sagen, es gebür uns nicht, jemand dem teufel zu
ubergeben 23, und was dergleichen mehr ist. Etliche

Götzendienstes und Schändung der Einsetzung des
Herrn verurteilt hatte. Sein Verhalten wurde von
den Brüdern getadelt; a Lasco berichtet darüber am
7. Juni 1553 an Bullinger: „tragoediam in ecclesia
movit“, und Delen sei von den Predigern und Älte-
sten ermahnt worden (A. Kuyper II, 676f.). Vgl.
A. A. v. Schelven, Vluchtelingenkerken, 75; J.Lin-
deboom, 19.

22 Möglicherweise ist hier an die Wiedertäufer gedacht,
die in Anbetracht ihrer rigorosen Bannpraxis andere
Gemeinden gern mit dem Vorwurf zu laxer Zucht-
übung bedachten. Micron hatte zu Beginn des Jah-
res 1554 zu Wismar mit Menno Simons disputiert
(vgl. oben S. 402, Anm. 59; J. H. Gerretsen, 43ff.
93ff.; S. Cramer-F. Pijper I, 426. 427. IX,93ff.);
um dieselbe Zeit wurden zwischen den Wiedertäu-
fern in Ostfriesland und Gellius Faber Streitschrif-
ten gewechselt, die u.a. die Kirchenzucht behan-
delten; vgl. oben S. 323, Anm. 6, und S. 343 mit
Anm. 72 f.

23 Darüber berichtet a Lasco am 7. Juni 1553 von Lon-
don aus an Bullinger: ... sed nihil non tentat in nos
satan propter restitutum utcunque in nostris eccle-
siis disciplinae usum: nimirum hinc sentit locum
praeripi hypocrisi suae inter nos, quae observato
disciplinae usu ipsamet sese prodit neque diu con-
sistere omnino potest. Volunt enim sancti videri
hypocritae omnes, et laudari quam redargui malunt,
cumque usus disciplinae aliud in se nihil habeat
quam reprehensiones, per quas simulata illa ipsorum
sanctitas oppugnatur corruptelaque naturae nostrae
omnium accusatur, fieri sane non potest, quin hypo-
critae simulatam sanctitatem illam suam oppugnari,
cuius nomine alioqui in pretio haberi volunt, gravis-
sime ferant, sursumque ac deorsum misceant omnia,
si quo modo usum disciplinae invisum reddere om-
nibus hypocrisimque suam adversus illum tueri
possint. Atque hic non dormit satan, sed artes om-
nes suas expedit ad impediendum disciplinae usum
(A. Kuyper II, 675).

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