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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0125
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21. Kirchenordnung

Von der Erschaffung aller Creaturen

Es sind viel höher Lehrenc begriffen im Articul von
der erschaffung aller Creaturen38, die in dieser kurt-
zen Anleitung zu erzehlen zu lang ist. Dieses aber
sollen die Leut offt erinnert werden, das die Er-
schaffung von allen dreyen Persohnen geschehen ist.
Und hat der ewige Vatter sambt dem ewigen Sohn
und heiligen Geist alle andere ding, Himmel und
Erden, Engel und Menschen und alle andere Crea-
turen, ungezwungen, freywillig auß nichts erschaf-
fen. Denn der ewige Vatter |24| hat das Wort ge-
sprochen und im Wort alles gebildet, durch welches
Wort alles geschaffen wirdt39, unnd durch den hei-
ligen Geist wirdt regung geben.
Zum andern ist hochnötig, zum trost und zur anruf-
fung dabey zuwissen, das bei der Erschaffung sol die
erhaltung der Creaturen auch verstanden werden.
Dann Gott ist nicht von seinem Werck weg gangen,
wie ein Zimmerman vom Schiff, daß er gebawet hat,
weg gehet und lesset es darnach andere Regie-

ren40 und flicken, sondern er bleibet bey seinen
Creaturen, bey Himmel und Erden, Engeln und
Menschen, unnd macht die Erden Jehrlich frucht-
bar41, gibt allen gewechsen, Thieren und Menschen
krafft und leben, wie in Actis geschrieben ist: In ihm
haben wir leben, regungd und wesen42.
Unnd ist dieses auch sehr nötig zumercken, Gott er-
helt seine Ordnungen in Creaturen, doch ungezwun-
gen und freywillig, verhindert offt und segnet nicht
die Erden und lest die Menschen ster-| 25| ben umb
grosser Sünde willen. Dagegen segnet er offt die Er-
den, gibt gesundtheit, stercket die Natur und gibt
sonst glück in allerley grosse Gaben, seiner Kirchen
zu guth, die ihn anruffen, wie er spricht Deut. 30
[19-20]: Gott ist dein Leben und die lenge deiner
Tage. Dieses sol man im Gebett betrachten, das
man wisse, das Gott die Creaturen und unser Leben
in seiner Handt hat und kann und wil helffen, auch
uber die Natürliche, gemeine weise.

Vom Fall der ersten Menschen

Dieses ist gantz gewiß unnd festiglich zuhalten, das
Gott alle Creaturen guth geschaffen hatt, wie im
ersten Buch Mose am I. Cap. [31] klar außgedruckt
ist. Unnd ist gewißlich wahr, daß der Mensch dazu
erschaffen ist, das Gott in ihm wohnen und ihm
Gott seine weißheit und gütigkeit mittheilen wolt.
Hatt ihn |26| drumb erstlich also erschaffen, daß er
ihn begabt hat mit den höchsten Gütern, die in Gott
seind, Nemblich mit weißheit, gerechtigkeit und
freiem willen, daß er ein rein Ebenbildt Gottes weh-

c Druck: Lehre.
d Korr. aus: regierung (s. die Liste der Corrigenda auf
S. 167).
38 Vgl. den ersten Artikel des Apostolischen und des Nizä-
nischen Glaubensbekenntnisses.
39 Vgl. Joh 1,3.

Und haben die ersten Menschen, Adam und Eva,
diese Güter sollen auff die Nachkohmen erben44, so
sie im gehorsamb bestendig geplieben wehren. Und
hette Gott seine Wohnung und freude an den Men-
schen gehabt45. Aber Adam und Eva sind durch des
Teuffels anreitzung und durch ihren freyen willen
dem Göttlichen Gebott ungehorsamb worden und
sind also in ungnad, Sünd unnd Todt gefallen46 unnd
von dem Mörder verwundet und beraubt worden,
wie solches Lucae im 10. Cap. [30] angezeiget ist.
Beraubt sind sie der gnaden, das sie nicht mehr Gott
gefellig gewesen seint. Und haben dazu verloren die

40 Steuern, s. Grimm, DWb 14, Sp. 531.
41 Vgl. 1Mos 8,22.
42 Vgl. Apg 17,28.
43 Vgl. 1Mos 1,27.
44 Vgl. 1Mos 1,28.
45 Vgl. 3Mos 26,11.
46 Vgl. 1Mos 3,1-19.

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