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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0137
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21. Kirchenordnung

bey Gott105. Unnd denn verstehet man den Spruch
Augustini: Credens scit se credere106.
Von diesem glauben ist zuvor gesagt, daß er das
Evangelium, das ist die verheissung der gnaden, an-
schawet, und dienet dazu die absolu-| 70| tio, welche
auch das Evangelium den geengstigten Hertzen, die
trost begeren, fürtregt unnd applicirt. Unnd spricht
nicht, allein andern, sondern auch dir sind deine
Sünde gewißlich vergeben, so du auff den Herrn
Christum vertrawest. Und solt die absolution als die
stimme des Evangelii annehmen, wie David seine
absolution anzunehmen und zu gleuben schuldig
war, da Nathan sprach: Der Herr hat deine Sünde
weggenommen107. Unnd ist der Befehl, Sünde zuver-
geben, außgedruckt Johan. 20 [23]: Welchen ihr die
Sünde vergebet, denen sind sie vergeben, unnd wel-
chen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Und
Matth. 18 [21-22]: Wie offt sol ich vergeben etc.
Siebentzig mal sieben.
Darumb, wiewol die Leute wissen sollen, das erzeh-
lung der Sünden in der Beicht nicht nötig ist, und
niemand dazu sol gedrungen werden, sol dennoch
die privat absolutio in der Kirchen gehalten werden,
welche alle Betrübten, |71| gesund oder kranck, be-
gehren mögen, so offt sie wollen. Und ist dieser
brauch der Kirchen nützlich, das jede Person, inson-
derheit vor der Communion, die privat absolution
suchet.
In diesem Gesprech kan man das junge Volck vom
Glauben fragen unnd unterrichten, seint auch son-

sten viel nutzen darin begriffen. Und diesen brauch
wollen wir in unsern Kirchen auch behalten. Unnd
ob wir wol ein Christlich Gebet von Buß und Ver-
gebung der Sünde, wie nachfolgen wird108, welches
unsere Pastores im gantzen Lande alle unnd jede
Sontage nach gehaltener hohen Vormittags Predigt
öffentlich von der Cantzel recitiren sollen, haben an-
geordnet, So sol dannoch dasselbe keines weges zu
auffhebung itzermelter hochnützlichen privat Con-
fession gemeint seyn, Sondern dieselbe sol vor wie
noch, auß angezogenen109 und viel andern wichtigen
ursachen, in unsern Kirchen seyn und bleiben.
Auff zuvor bemelte beyden stück der Busse folget
dann als eine frucht der newangefangener Gehor-
samb, daß du nach der Bekehrung |72| forthin nicht
wiederumb in Sünde wider Gewissen lebest. Dann
Sünde wider Gewissen stossen den heiligen Geist aus
und werffen den Menschen wiederumb in Gottes
zorn. Und sol darumb der angefangene gehorsamb
in dieser Regul bleiben, davon Paulus spricht: Ube
eine gute Ritterschafft, erhalt glauben und gut ge-
wissen110. Item Rom. 6 [13]: Die Sünde sol nicht her-
schen in ewrem Leibe, sondern ewer Gliedmaß sollen
Waffen seyn der Gerechtigkeit. Wir sollen Gottes
Wohnung111 bleiben, daß er uns immermehr erleuch-
te und reinige, damit anruffung und die erkentnus
des Herrn Christi und recht vertrawen auff den
Sohn Gottes in uns stercker werde, und wir unsere
unreinigkeit mehr erkennen und beklagen, auch die
Sünd und ursach der Sünden meiden unnd nicht wie
die Hunde wiederumb aufflecken, was wir gespien
haben112. |73|

Was Christliche Kirche sey und durch welche Zeichen
sie zu erkennen

Christliche Kirche in diesem Leben ist eine sicht-
bare Versamblung aller Menschen, die reine Lehr
des Evangelii annehmen unnd rechten brauch der
Sacramenten haben, In welcher Versamblung der
Herr Christus durch den dienst des Evangelii kreff-
105 Röm 5,1.
106 Vgl. August. conf. I 1, 1 (= PL 32, Sp. 660).
107 2Sam 12,13.
108 S. 148f.

tig ist unnd viel zum ewigen Leben bekehret und
heiliget; und sind gleichwol in dieser Versamblung
viel, die nicht heilig sind, doch in eusserlicher gemein-
schafft mit den Heiligen in der Lehre eintrechtig.

109 Genannten.
110 1Tim 1,18-19.
111 Vgl. Joh 14,23 und Eph 2,22.
112 Vgl. Spr 26,11 und diese Stelle aufnehmend 2Petr 2,22.

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