Einleitung
Thomaspfarrei49. Die Entstehung der Parochien spiegelt die Entwicklung der Stadt aus mehreren Sied-
lungskernen wider50. Die im Vergleich zu anderen Städten große Zahl von Pfarrkirchen geht auf das 11. und
12. Jh. zurück, als die königliche Förderung und der prosperierende Bergbau Goslar zur reichsten Stadt
Niedersachsens machten. Bereits Mitte des 12. Jh. bestanden vier der fünf Parochien; nur die Thomas-
pfarrei verdankt ihre Entstehung erst dem 13. Jh.
Die älteste und bedeutendste Pfarrkirche Goslars war die Marktkirche mit dem Patrozinium der beiden
heiligen Ärzte Cosmas und Damian. Sie dürfte auf die erste Hälfte des 11. Jh. zurückgehen und wurde wohl
auf königlichem Grund errichtet. Die Marktkirche war die Archidiakonatskirche des Bannes Goslar51. Im
Unterschied zur Marktkirche wurde die nördlich von ihr gelegene Kirche St. Jakobi auf bischöflichem
Grund erbaut52. Beide Parochien bestanden 1108 bereits, als der Hildesheimer Bischof Udo die Grenzen der
Frankenberger Pfarrei festlegte und damit das Gebiet von St. Peter und Paul am Frankenberg von dem der
Marktkirche und der Kirche St. Jakobi abtrennte53. Im 16. Jh. bildeten die Mühlen- und die Schreiber-
straße die Grenze der Frankenberger Pfarrei zur Marktpfarrei, die Berningerstraße die zur Jakobspfarrei.
Die Bäckerstraße wiederum teilte die Markt- von der Jakobspfarrei54. Die vierte Goslarer Pfarrkirche
St. Stephani findet erstmals 1142 Erwähnung; ein Pfarrer (presbyter) wird 1151 genannt. Die in einem
Neubaugebiet im Osten der Stadt entstandene Stephanspfarrei war am Ende des Mittelalters, was die Zahl
der Gemeindeglieder anbelangt, die größte Goslarer Parochie. Diesen Rang verdankte sie nicht zuletzt dem
starken Zuzug im Laufe des 15. Jh.55 Die Grenze zur Jakobspfarrei bildeten im 16. Jh. die Bäckerstraße und
die Straße Im Kohlgarten, die zur Marktpfarrei die Sommerwohlen- und die Judenstraße56. Das Gebiet der
vier alten Parochien lag zum größten Teil nördlich von Gose und Abzucht. Südlich der beiden Flußläufe
befand sich das Gebiet von St. Thomas. Die neben der Stiftskirche St. Simon und Judas erbaute Kirche
(früheste urkundliche Erwähnung 1191/94) gelangte vermutlich in der ersten Hälfte des 13. Jh. in den
Besitz von Pfarr-Rechten. Diese wurden ihr aber in der Folge von der Stiftskirche immer wieder streitig
gemacht. Auch wenn im Streit zwischen dem Stiftskapitel und dem Geistlichen von St. Thomas letzterem
alle Rechte an der Pfarrei zugesprochen wurden, konnte das Kapitel weiterhin Einfluß ausüben, da die
Thomaskirche dem Stift inkorporiert war. Die Thomaspfarrei war die kleinste der fünf Goslarer Parochien.
Sie besaß nur etwa ein Drittel der Gemeindeglieder der anderen Pfarreien57.
Die Pfarreien waren nicht nur Kirchenbezirke, sondern zugleich auch Steuer- und Wachtbezirke58. Die
Grenzen der städtischen Parochien blieben vom Mittelalter über alle Einschnitte der Reformationszeit
hinweg bis ins 19. Jh. hinein weitgehend unverändert erhalten. Dann verlangte die Gründung einer katho-
lischen Gemeinde mit St. Jakobi als Pfarrkirche eine Neuordnung59. Neben den Pfarrkirchen in der Stadt
gab es noch eine Pfarrei im Bergdorf und eine mit der Johanniterkirche verbundene Pfarrei vor dem Vitus-
tor60.
Von den in Goslar bzw. im nahen Umfeld der Stadt gelegenen geistlichen Häusern war das 1047 von
Kaiser Heinrich III. gegründete und mit umfangreichem Güterbesitz ausgestattete Kollegiatstift St. Simon
und Judas (Thaddäus) das bedeutendste. Aus den Mitgliedern des Kapitels ging im ersten Jahrhundert des
Bestehens eine große Zahl von Bischöfen hervor. Bereits im 13. Jh. kam es zu einer Auflösung der Vita
49 Vgl. den Überblick über die Goslarer Pfarreien in Graf,
Niederkirchenwesen, S. 45-58. Für die zu den Pfarreien
gehörenden Straßen s. die Aufstellungen bei Brunke,
Kirchliches Leben, S. 9f. und Kelichhaus, Goslar um
1600, S. 25-29 (Stand um 1600).
50 Vgl. Graf, Niederkirchenwesen, S. 57.
51 Ebd., S. 46-48.
52 Ebd., S. 48; Gidion, Geschichte St. Jakobi, S. 12-19.
53 UB Goslar 1, Nr. 152, S. 195f.; Lange, Kirche und Klo-
ster, S. 12f.
54 Vgl. die Karte im Anhang zu Graf, Niederkirchenwesen.
55 Vgl. Graf, Niederkirchenwesen, S. 51f.; Hasselbring,
Stephanikirche, S. 1-5.
56 Vgl. die Karte im Anhang zu Graf, Niederkirchenwesen.
57 Ebd., S. 52f.; Niedersächsisches Klosterbuch 2, S. 494 und
496; Lohse, Dauer der Stiftung, passim (vgl. das Regi-
ster S. 571).
58 Vgl. Kelichhaus, Goslar um 1600, S. 24.
59 Vgl. Gidion, Geschichte St. Jakobi, S. 48-61.
60 Vgl. Graf, Niederkirchenwesen, S. 53f.
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Thomaspfarrei49. Die Entstehung der Parochien spiegelt die Entwicklung der Stadt aus mehreren Sied-
lungskernen wider50. Die im Vergleich zu anderen Städten große Zahl von Pfarrkirchen geht auf das 11. und
12. Jh. zurück, als die königliche Förderung und der prosperierende Bergbau Goslar zur reichsten Stadt
Niedersachsens machten. Bereits Mitte des 12. Jh. bestanden vier der fünf Parochien; nur die Thomas-
pfarrei verdankt ihre Entstehung erst dem 13. Jh.
Die älteste und bedeutendste Pfarrkirche Goslars war die Marktkirche mit dem Patrozinium der beiden
heiligen Ärzte Cosmas und Damian. Sie dürfte auf die erste Hälfte des 11. Jh. zurückgehen und wurde wohl
auf königlichem Grund errichtet. Die Marktkirche war die Archidiakonatskirche des Bannes Goslar51. Im
Unterschied zur Marktkirche wurde die nördlich von ihr gelegene Kirche St. Jakobi auf bischöflichem
Grund erbaut52. Beide Parochien bestanden 1108 bereits, als der Hildesheimer Bischof Udo die Grenzen der
Frankenberger Pfarrei festlegte und damit das Gebiet von St. Peter und Paul am Frankenberg von dem der
Marktkirche und der Kirche St. Jakobi abtrennte53. Im 16. Jh. bildeten die Mühlen- und die Schreiber-
straße die Grenze der Frankenberger Pfarrei zur Marktpfarrei, die Berningerstraße die zur Jakobspfarrei.
Die Bäckerstraße wiederum teilte die Markt- von der Jakobspfarrei54. Die vierte Goslarer Pfarrkirche
St. Stephani findet erstmals 1142 Erwähnung; ein Pfarrer (presbyter) wird 1151 genannt. Die in einem
Neubaugebiet im Osten der Stadt entstandene Stephanspfarrei war am Ende des Mittelalters, was die Zahl
der Gemeindeglieder anbelangt, die größte Goslarer Parochie. Diesen Rang verdankte sie nicht zuletzt dem
starken Zuzug im Laufe des 15. Jh.55 Die Grenze zur Jakobspfarrei bildeten im 16. Jh. die Bäckerstraße und
die Straße Im Kohlgarten, die zur Marktpfarrei die Sommerwohlen- und die Judenstraße56. Das Gebiet der
vier alten Parochien lag zum größten Teil nördlich von Gose und Abzucht. Südlich der beiden Flußläufe
befand sich das Gebiet von St. Thomas. Die neben der Stiftskirche St. Simon und Judas erbaute Kirche
(früheste urkundliche Erwähnung 1191/94) gelangte vermutlich in der ersten Hälfte des 13. Jh. in den
Besitz von Pfarr-Rechten. Diese wurden ihr aber in der Folge von der Stiftskirche immer wieder streitig
gemacht. Auch wenn im Streit zwischen dem Stiftskapitel und dem Geistlichen von St. Thomas letzterem
alle Rechte an der Pfarrei zugesprochen wurden, konnte das Kapitel weiterhin Einfluß ausüben, da die
Thomaskirche dem Stift inkorporiert war. Die Thomaspfarrei war die kleinste der fünf Goslarer Parochien.
Sie besaß nur etwa ein Drittel der Gemeindeglieder der anderen Pfarreien57.
Die Pfarreien waren nicht nur Kirchenbezirke, sondern zugleich auch Steuer- und Wachtbezirke58. Die
Grenzen der städtischen Parochien blieben vom Mittelalter über alle Einschnitte der Reformationszeit
hinweg bis ins 19. Jh. hinein weitgehend unverändert erhalten. Dann verlangte die Gründung einer katho-
lischen Gemeinde mit St. Jakobi als Pfarrkirche eine Neuordnung59. Neben den Pfarrkirchen in der Stadt
gab es noch eine Pfarrei im Bergdorf und eine mit der Johanniterkirche verbundene Pfarrei vor dem Vitus-
tor60.
Von den in Goslar bzw. im nahen Umfeld der Stadt gelegenen geistlichen Häusern war das 1047 von
Kaiser Heinrich III. gegründete und mit umfangreichem Güterbesitz ausgestattete Kollegiatstift St. Simon
und Judas (Thaddäus) das bedeutendste. Aus den Mitgliedern des Kapitels ging im ersten Jahrhundert des
Bestehens eine große Zahl von Bischöfen hervor. Bereits im 13. Jh. kam es zu einer Auflösung der Vita
49 Vgl. den Überblick über die Goslarer Pfarreien in Graf,
Niederkirchenwesen, S. 45-58. Für die zu den Pfarreien
gehörenden Straßen s. die Aufstellungen bei Brunke,
Kirchliches Leben, S. 9f. und Kelichhaus, Goslar um
1600, S. 25-29 (Stand um 1600).
50 Vgl. Graf, Niederkirchenwesen, S. 57.
51 Ebd., S. 46-48.
52 Ebd., S. 48; Gidion, Geschichte St. Jakobi, S. 12-19.
53 UB Goslar 1, Nr. 152, S. 195f.; Lange, Kirche und Klo-
ster, S. 12f.
54 Vgl. die Karte im Anhang zu Graf, Niederkirchenwesen.
55 Vgl. Graf, Niederkirchenwesen, S. 51f.; Hasselbring,
Stephanikirche, S. 1-5.
56 Vgl. die Karte im Anhang zu Graf, Niederkirchenwesen.
57 Ebd., S. 52f.; Niedersächsisches Klosterbuch 2, S. 494 und
496; Lohse, Dauer der Stiftung, passim (vgl. das Regi-
ster S. 571).
58 Vgl. Kelichhaus, Goslar um 1600, S. 24.
59 Vgl. Gidion, Geschichte St. Jakobi, S. 48-61.
60 Vgl. Graf, Niederkirchenwesen, S. 53f.
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