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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0203
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Einleitung

Herzog zu verbünden (s. u.a. die unter Nr. 1 veröffentlichten „Articuli Jacobitarum“, Art. 11), der in der
Folge auch zur wichtigsten Stütze der Altgläubigen im Norden des Reiches werden sollte76.
Der Rat befand sich in einer Zwickmühle: Zum einen war er zu Zugeständnissen gegenüber der auf
reformatorische Veränderungen drängenden Bürgerschaft gezwungen, um die Unzufriedenheit in der Stadt
nicht weiter wachsen zu lassen, zum anderen wollte er einen Bruch mit dem Kaiser aufgrund der religiösen
Neuerungen vermeiden77. Die Gesandten auf den Reichstagen und die am Reichskammergericht tätigen
Vertreter der Stadt warnten in ihren Berichten immer wieder vor den negativen Folgen reformatorischer
Veränderungen in der Stadt. Noch 1529 und 1530, als die Reformation bereits Einzug in Goslar gehalten
hatte, nahm die Stadt die Reichstagsabschiede an und distanzierte sich damit von den anderen evangeli-
schen Ständen78. Erst die gescheiterte Vermittlung des Kaisers zwischen der Stadt und dem Herzog von
Braunschweig-Wolfenbüttel auf dem Reichstag in Augsburg und die in der Folge am 8. Oktober 1530
verhängte Zwangsverwaltung des Bergwerkes am Rammelsberg, mit welcher der altgläubige Herzog Georg
von Sachsen beauftragt wurde79, sowie das harte Mandat Karls V. vom 31. Oktober 1530 gegen die
Stadt80, sorgten für ein Umdenken auf seiten des Rates81.
Im Februar 1532 trat Goslar dem im Dezember 1530 in Schmalkalden ins Leben gerufenen Bündnis
evangelischer Fürsten und Städte bei82. Auch im Rahmen des Schmalkaldischen Bundes spielte die Ausein-
andersetzung der Stadt mit Heinrich d. J. eine wichtige Rolle. Bei ihrem Beitritt pochte die Stadt auf eine
Einbeziehung der weltlichen Streitigkeiten mit dem Herzog in das Bündnis. Das hätte aber den Grundsatz
des Schmalkaldischen Bundes, sich auf die Verteidigung in Glaubens- und Religionssachen zu beschränken,
in Frage gestellt. Die Mitglieder des Bundes lehnten das Goslarer Ansinnen daher auch zunächst ab83. Die
jahrelange Bedrückung der Stadt durch Heinrich diente den Schmalkaldenern dann 1542 aber als Vorwand
für den Einfall der Truppen des Bundes in das Herzogtum Braunschweig84.

2. Der Beginn der Reformation (bis 1531)
In den 1707 in Frankfurt a. M. erschienenen „Antiquitatum Goslariensium et vicinarum regionum libri sex“
des Frankenberger Pfarrers und späteren Hallenser Superintendenten Johann Michael Heinecke (Heinec-
cius)85 werden Johannes Klepp und Dietrich Smedecken (Schmidecke) als die ersten Verkündiger der evan-
gelischen Lehre in Goslar genannt86. Beide waren Kapläne an der Pfarrkirche St. Jakobi und scheinen
mehrfach mit dem Pfarrer Johannes Hardt, der später als Syndikus der Stadt tätig war, aneinandergeraten
zu sein. Hardt soll den beiden Kaplänen schließlich das Predigen untersagt und sie der Kirche verwiesen
haben87. Während zu Johannes Klepp kaum etwas bekannt ist, treten die Verbindungen Smedeckens zur
Reformation dank der Untersuchungen von Martin Brecht und Robert Peters sehr viel deutlicher zutage:
Brecht und Peters konnten Smedecken als den Übersetzer von Luthers Neuem Testament ins Niederdeut-
sche („Dath Nyge Testament tho dude“) festmachen, das 1523 bei Lotter d. J. in Wittenberg gedruckt
wurde. Im gleichen Jahr erschien bei Lotter auch das von ihm übertragene „Betbüchlein“ Luthers („Bede-
bok und lesebok D. Mart. Luther“)88. Als Nachfolger Klepps und Smedeckens erscheint in Heineckes Werk

76 Vgl. TRE 7, S. 142.
77 Vgl. Seven, Goslarer Reformation, S. 79f.
78 RTA, JR 7,2 Nr. 148, S. 1313f.
79 Abdruck des Schreibens von Karl V. in Meier, Streit,
S.143-146.
80 StadtA Goslar Urk. Stadt Nr. 1167; Abdruck in Lich-
tenstein, Abhandlung, S. 59-62.
81 Vgl. Seven, Goslarer Reformation, S. 84f.
82 Vgl. Haug-Moritz, Schmalkaldischer Bund, S. 123 und
139-141.

83 Ebd., S. 82-87.
84 Ebd., S. 67-69.
85 Zu Heinecke vgl. Gasse, Gute alte Stadt, S. 13-33.
86 Vgl. Heineccius, Antiquitatum Goslariensium [...] libri
sex, S. 437 und 439f.
87 Vgl. Hölscher, Geschichte der Reformation, S. 9-12.
88 Neben dem in der Bibliographie angegeben Aufsatz von
Brecht, Smedecken, S. 23-26 vgl. Martin Brecht /
Robert Peters, Theodor Smedeckens niederdeutsche
Übertragung von Luthers Neuem Testament, in: Luther-

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