Einleitung
2. Bericht der Stadt Nürnberg für den Goslarer Rat über die reformatorischen Änderungen in Nürnberg,
[30. März 1528] (Text S. 227)
In den „Articuli Jacobitarum“ sind eine Reihe von Städten aufgeführt, die sich der Reformation bereits
angeschlossen hatten. An erster Stelle der Aufzählung erscheint dabei die Stadt Nürnberg. Im März 1528
wandten sich die Goslarer Ratsherren - möglicherweise auf Anraten Amsdorfs - um Unterstützung an ihre
Kollegen in Nürnberg und in Frankfurt a. M.107 An den Frankfurter Rat richtete man die Anfrage nach
seiner Vorgehensweise in den Auseinandersetzungen um die neue Lehre, weil man die Lage in der Stadt am
Main ähnlich der in Goslar einschätzte (dweill wir in glychem fall). Von Nürnberg erbat man sich hingegen
konkret einen Bericht über die neu eingeführte Gottesdienstordnung für die Pfarrkirchen der Reichs-
stadt108.
Der Frankfurter Rat begnügte sich mit einer kurzen Mitteilung: Bei ihnen würden zwei Prediger an drei
Tagen in der Woche das Wort Gottes verkündigen. An diesen Predigten könnten alle Gläubigen ungehindert
teilnehmen. In den Stiften und Klöstern der Stadt werde aber weiterhin nach altem Herkommen an der
Messe und den Kanonischen Stunden festgehalten109. Der Nürnberger Rat sandte mit seinem Schreiben
vom 30. März 1528 ein ausführliches „Verzceignus der gheenderten mißprüch und cerimonien, so in crafft
des worth Gots zu Nurenberg abgestelt und gebessert seyen“. In ihrem Brief betonten der Bürgermeister
und die Ratsherren dabei, jede christliche Obrigkeit (die cristen zusein begern) sei verpflichtet, das zuhaltenn,
zubekennen unnd anzunemen, das das wort Gotes unnd sein heilig evangelion mit sich bringet, ungeachtet, ob das
von andern [...] nit angenomen wurde110.
Die Stadt Nürnberg bildete für Goslar eine besonders geeignete Ansprechpartnerin, weil die Reforma-
tion 1528 dort bereits weitgehend abgeschlossen war111. Fünf Jahre zuvor war es dort mit der Taufe in
deutscher Sprache und der Spendung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt zu ersten grundlegenden
Veränderungen gekommen112. Im Sommer 1524 hatten die Pröpste an den beiden Pfarrkirchen St. Sebald
und St. Lorenz eine neue Gottesdienstordnung unter weitgehender Beseitigung des Messkanons einge-
führt113. Nach einer Anfang Mai 1525 vor dem Rat abgehaltenen Disputation, bei der die evangelischen
Prädikanten unter der Führung Andreas Osianders den Sieg davontrugen114, kam es dann zu einer völligen
Umgestaltung des Nürnberger Kirchenwesens: Fortan sollte es nach dem Willen des Rates nur noch die
„einhellige“ Verkündigung des Evangeliums geben. Die Messe wurde abgestellt und den altgläubigen
Geistlichen das Predigen untersagt, ein Großteil der Klöster aufgehoben. Im Mai 1526 schließlich kam es
mit der Unterstützung Melanchthons zur Einrichtung eines Gymnasiums im Egidienkloster115.
107 Im Sommer 1524 hatte bereits der Rat der Stadt Mag-
deburg in Nürnberg angefragt, wie man dort bei der Neu-
ordnung des Gottesdienstes und in anderen Fragen vor-
gegangen sei. Der Nürnberger Stadtschreiber Lazarus
Spengler hatte daraufhin eine ausführliche Stellungnahme
zu den von Magdeburg übersandten Punkten verfaßt.
Vgl. Seebass, Apologia Reformationis, S. 26.
108 [...] umb anzeigung unnser unnd unnser pfarrbrobst [die
Pröpste von St. Sebald und St. Lorenz] furgenomener ord-
nung unnd ennderungen in den teglichen kirchennn gepreu-
chenn unnd ceremonien, zitiert aus dem Antwortschreiben
der Stadt Nürnberg vom 30. März 1528 (StadtA Goslar
B 4560 [533]).
109 StadtA Goslar B 4560 (791): dann wir habenn zweenn
preddiger, die alle wochenn dry tag das wort Gotts verkun-
denn sollenn. Zu den mag eynn igelicher nach seiner andacht
geenh. Sunst hellt mann in allenn cloesternn unnd stiffternn
by unns messe, vesper unnd mettenn, alle horas unnd Salve,
wie von altter. Die Mitteilung stammt vom Freitag nach
Judica (3. April) 1528.
110 StadtA Goslar B 4560 (533).
111 Vgl. zum Überblick TRE 24, S. 701f.; Sehling, EKO,
Bd. XI, S. 17-22.; Gottfried Seebass, Stadt und Kir-
che in Nürnberg im Zeitalter der Reformation, in: Stadt
und Kirche im 16. Jahrhundert, hrsg. von Bernd
Moeller, Gütersloh 1978 (= SVRG 190), S. 66-86.
112 Vgl. Sehling, EKO, Bd. XI, S. 33-43.
113 Abdruck der Gottesdienstordnung der beiden Pfarrkir-
chen ebd., S. 46-50.
114 Vgl. die Handlunng eynes ersamenn, weysen rats zu
Nürnberg mit iren predicantten newlich geschehen,
[Augsburg 1525] (VD 16, ZV 6327), abgedruckt in Osi-
ander, Gesamtausgabe 1, Nr. 42, S. 501-540.
115 Vgl. dazu Hugo Steiger, Das Melanchthongymnasium
in Nürnberg (1526-1926), München 1926.
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2. Bericht der Stadt Nürnberg für den Goslarer Rat über die reformatorischen Änderungen in Nürnberg,
[30. März 1528] (Text S. 227)
In den „Articuli Jacobitarum“ sind eine Reihe von Städten aufgeführt, die sich der Reformation bereits
angeschlossen hatten. An erster Stelle der Aufzählung erscheint dabei die Stadt Nürnberg. Im März 1528
wandten sich die Goslarer Ratsherren - möglicherweise auf Anraten Amsdorfs - um Unterstützung an ihre
Kollegen in Nürnberg und in Frankfurt a. M.107 An den Frankfurter Rat richtete man die Anfrage nach
seiner Vorgehensweise in den Auseinandersetzungen um die neue Lehre, weil man die Lage in der Stadt am
Main ähnlich der in Goslar einschätzte (dweill wir in glychem fall). Von Nürnberg erbat man sich hingegen
konkret einen Bericht über die neu eingeführte Gottesdienstordnung für die Pfarrkirchen der Reichs-
stadt108.
Der Frankfurter Rat begnügte sich mit einer kurzen Mitteilung: Bei ihnen würden zwei Prediger an drei
Tagen in der Woche das Wort Gottes verkündigen. An diesen Predigten könnten alle Gläubigen ungehindert
teilnehmen. In den Stiften und Klöstern der Stadt werde aber weiterhin nach altem Herkommen an der
Messe und den Kanonischen Stunden festgehalten109. Der Nürnberger Rat sandte mit seinem Schreiben
vom 30. März 1528 ein ausführliches „Verzceignus der gheenderten mißprüch und cerimonien, so in crafft
des worth Gots zu Nurenberg abgestelt und gebessert seyen“. In ihrem Brief betonten der Bürgermeister
und die Ratsherren dabei, jede christliche Obrigkeit (die cristen zusein begern) sei verpflichtet, das zuhaltenn,
zubekennen unnd anzunemen, das das wort Gotes unnd sein heilig evangelion mit sich bringet, ungeachtet, ob das
von andern [...] nit angenomen wurde110.
Die Stadt Nürnberg bildete für Goslar eine besonders geeignete Ansprechpartnerin, weil die Reforma-
tion 1528 dort bereits weitgehend abgeschlossen war111. Fünf Jahre zuvor war es dort mit der Taufe in
deutscher Sprache und der Spendung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt zu ersten grundlegenden
Veränderungen gekommen112. Im Sommer 1524 hatten die Pröpste an den beiden Pfarrkirchen St. Sebald
und St. Lorenz eine neue Gottesdienstordnung unter weitgehender Beseitigung des Messkanons einge-
führt113. Nach einer Anfang Mai 1525 vor dem Rat abgehaltenen Disputation, bei der die evangelischen
Prädikanten unter der Führung Andreas Osianders den Sieg davontrugen114, kam es dann zu einer völligen
Umgestaltung des Nürnberger Kirchenwesens: Fortan sollte es nach dem Willen des Rates nur noch die
„einhellige“ Verkündigung des Evangeliums geben. Die Messe wurde abgestellt und den altgläubigen
Geistlichen das Predigen untersagt, ein Großteil der Klöster aufgehoben. Im Mai 1526 schließlich kam es
mit der Unterstützung Melanchthons zur Einrichtung eines Gymnasiums im Egidienkloster115.
107 Im Sommer 1524 hatte bereits der Rat der Stadt Mag-
deburg in Nürnberg angefragt, wie man dort bei der Neu-
ordnung des Gottesdienstes und in anderen Fragen vor-
gegangen sei. Der Nürnberger Stadtschreiber Lazarus
Spengler hatte daraufhin eine ausführliche Stellungnahme
zu den von Magdeburg übersandten Punkten verfaßt.
Vgl. Seebass, Apologia Reformationis, S. 26.
108 [...] umb anzeigung unnser unnd unnser pfarrbrobst [die
Pröpste von St. Sebald und St. Lorenz] furgenomener ord-
nung unnd ennderungen in den teglichen kirchennn gepreu-
chenn unnd ceremonien, zitiert aus dem Antwortschreiben
der Stadt Nürnberg vom 30. März 1528 (StadtA Goslar
B 4560 [533]).
109 StadtA Goslar B 4560 (791): dann wir habenn zweenn
preddiger, die alle wochenn dry tag das wort Gotts verkun-
denn sollenn. Zu den mag eynn igelicher nach seiner andacht
geenh. Sunst hellt mann in allenn cloesternn unnd stiffternn
by unns messe, vesper unnd mettenn, alle horas unnd Salve,
wie von altter. Die Mitteilung stammt vom Freitag nach
Judica (3. April) 1528.
110 StadtA Goslar B 4560 (533).
111 Vgl. zum Überblick TRE 24, S. 701f.; Sehling, EKO,
Bd. XI, S. 17-22.; Gottfried Seebass, Stadt und Kir-
che in Nürnberg im Zeitalter der Reformation, in: Stadt
und Kirche im 16. Jahrhundert, hrsg. von Bernd
Moeller, Gütersloh 1978 (= SVRG 190), S. 66-86.
112 Vgl. Sehling, EKO, Bd. XI, S. 33-43.
113 Abdruck der Gottesdienstordnung der beiden Pfarrkir-
chen ebd., S. 46-50.
114 Vgl. die Handlunng eynes ersamenn, weysen rats zu
Nürnberg mit iren predicantten newlich geschehen,
[Augsburg 1525] (VD 16, ZV 6327), abgedruckt in Osi-
ander, Gesamtausgabe 1, Nr. 42, S. 501-540.
115 Vgl. dazu Hugo Steiger, Das Melanchthongymnasium
in Nürnberg (1526-1926), München 1926.
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