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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0221
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Einleitung

Neben den Armenkästen der Pfarreien wurden die Hausarmen gelegentlich auch aus dem Gemeinen
Kasten unterstützt. Regelmäßige Zahlungen flossen aus dem Gemeinen Kasten an die Spitäler209. In erster
Linie war der Gemeine Kasten aber für die Besoldung der Geistlichen und Lehrer zuständig. Mehr als die
Hälfte der Ausgaben floß in die Entlohnung der Prädikanten und Kapläne. Eine Ausnahme bildete der
Superintendent, dessen Bezahlung das Tafelamt (Kämmerei) übernahm210. Zur Unterhaltung der Geistli-
chen war darüber hinaus in der Kirchenordnung von 1531 vorgesehen, daß jeder Gläubige alle Vierteljahr
den Vierzeitenpfennig entrichten sollte (Nr. 7, S. 250).
Mit welch großen Schwierigkeiten insbesondere die Heranziehung der Kirchenlehen und Pfründen ver-
bunden war, zeigt die „Constitutio“ des Rates, der Gilden und Gemeine von 1537, die wohl auf Drängen
Widensees zustande gekommen war, da der Superintendent die Verordnung zusammen mit dem Rat unter-
siegelte. Nach der „Constitutio“ sollten alle entsprechenden Lehensbriefe unverzüglich an den Rat ausge-
liefert und von diesem dann an das Kistenamt weitergeleitet werden. Weigerten sich Bürger, die entspre-
chenden Briefe dem Rat zu übergeben, sollten sie bestraft werden. Aber noch 1544 beklagten sich die
evangelischen Geistlichen in einer Eingabe an den Rat, es gebe zahlreiche Briefe, die den Kistenherren nicht
ausgeliefert worden seien. Daher sei zu befürchten, daß auch die entsprechenden Zinse nicht geleistet wür-
den (Nr. 16a, S. 285).
Als Reaktion auf den Erlaß der „Constitutio“ verbot Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfen-
büttel allen seinen Untertanen die Leistung von Zinsen an die Stadt Goslar. In einem Brief an Herzog Georg
von Sachsen bezeichnete er die Goslarer als lupi rapaces, die unter dem Vorwand des Evangeliums Kirchen,
Klöstern und Stiften sowie Witwen und Waisen ihr Hab und Gut entzögen211.
13. Zuchtordnung, 16. Dezember 1537 (Text S. 269)
Die Kirchenordnung von 1531 enthielt im zweiten Teil bereits ausführliche disziplinarische Bestimmungen.
Sechs Jahre später veröffentlichte der Rat dann aber auch eine selbständige Zuchtordnung. Wie die Ma-
gistrate anderer Städte begründet er den Erlaß der Ordnung mit der Notwendigkeit, den Bösen und Gott-
losen mit der Androhung von Strafe Einhalt gebieten zu müssen. Ein Anliegen des Rates ist der Schutz des
Evangeliums und seiner Verkündigung ebenso wie die Heiligung des Gottesdienstes. Aus diesem Grund
untersagt er das Herumlaufen auf den Kirchhöfen und den Weinausschank während der Gottesdienstzeiten.
Auf eine Verpflichtung zur Teilnahme am Gottesdienst, wie sie in den Ordnungen anderer Reichsstädte zu
finden ist212, verzichtet er hingegen. Es gibt in der Zuchtordnung auch keinen Abschnitt zur Trunksucht
(dem Zutrinken)213, obwohl dieses Problem in Goslar nicht kleiner gewesen sein dürfte als anderenorts. Dem
Kampf gegen dieses weitverbreitete Übel hatte sich der Goslarer Superintendent Eberhard Widensee gewid-
met. In Magdeburg ließ er eine kleine Schrift drucken, die vor den schrecklichen Folgen dieses Lasters
warnte: „Ein Sermon von dem grausamen und unmenschlichen laster des volsauffens, und wie es Gott mit
ewiger vnd zeitlicher plage, auch durch den Tuercken, zu straffen drawet“214. Für die Bekämpfung des
Aufwands bei Hochzeiten und Taufen sowie der Verfehlungen beim Kirchgang verweist die Ordnung auf
frühere Erlasse des Goslarer Rates, die aber nicht mehr erhalten zu sein scheinen. Diese Punkte wurden
dann 1548 in der ,,Nye[n] ordenung“ umfassend geregelt (s. unten Nr. 18).

209 Vgl. unten Nr. 26 und Dreves, Armenwesen, S. 123-127.
210 Vgl. Graf, Pfründe, S. 47.
211 Vgl. Hölscher, Geschichte der Reformation, S. 126f. In
einer Reaktion auf das Vorgehen des Herzogs wehrte sich
der Rat vor allem gegen die Behauptung, den Stiften und
Klöstern etwas entzogen zu haben.

212 Vgl. z.B. Sehling, EKO XX,1, S. 227.
213 Vgl. ebd., EKO XX,1, S. 210f., EKO XX,2, S. 228 und
S. 245.
214 VD 16, W 1458 (Grundlage für die Schrift war eine Pre-
digt über Jes 5,11-14). Vgl. dazu Heineccius, Antiqui-
tatum Goslariensium [....] libri sex, S. 471.

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