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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0236
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Goslar

datiert auf das Jahr 1488. Neben den fünf Bürgerspitälern gab es noch ein Spital, das von der Knappschaft
der Bergleute für die Grubenarbeiter errichtet worden war305.
Die ursprüngliche Aufgabe der Spitäler als Versorgungsstätten für Kranke und Arme versahen nur noch
das Brüderkloster und der Siechenhof. Die Aufnahme in ein Spital erfolgte in der Regel durch den Kauf
einer Pfründe. Mit der Pfründe erwarb der Käufer das Recht auf lebenslange Unterbringung und Versor-
gung306. Die Beträge für den Kauf einer Pfründe legten die Vorsteher des jeweiligen Hauses fest. Ihre Höhe
hing von der Ausgestaltung der Pfründe ab (s. die unterschiedlichen Pfründen im Siechenhof), aber auch
von den Vermögensverhältnissen der Käufer307. Im Kleinen Hl. Kreuz und im Annenhaus fanden nur
Frauen Aufnahme; beide Häuser besaßen jeweils 12 Pfründen308. Die drei anderen Spitäler standen Män-
nern und Frauen gleichermaßen offen; sie verfügten Ende des 16. Jh. jeweils über mehr als 20 Pfrün-
den309. Auf die Fürsprache der Pfarrer und des Rates wurden auch Personen zugelassen, welche die Beiträge
für eine Pfründe nicht leisten konnten310. Voraussetzung für die Aufnahme in ein Spital - wie sie auch aus
der Ordnung von 1588 hervorgeht - war eine ordentliche Lebensführung und ein guter Leumund des Bewer-
bers. In der Regel erhielten nur Goslarer Bürger bzw. Bürgerskinder eine Pfründe; Fremde hatten, wenn sie
Aufnahme fanden, eine deutlich höhere Gebühr zu leisten.
Die Spitäler wurden vom Rat aus dem 1528 geschaffenen Gemeinen Kasten (vgl. oben die Einleitung zu
Nr. 12) unterstützt311. Darüber hinaus konnten sie auf die Almosen von Goslarer Bürgern hoffen. Neben der
Zahlung für die Pfründe fiel den Spitälern nach dem Tod eines Bewohners auch dessen Hinterlassenschaft
zu312. Ein Teil der Häuser verfügte über ausgedehnte Wiesen und Äcker, die ihnen nicht nur eine weitge-
hende Selbstversorgung, sondern auch Gewinne aus dem Absatz von landwirtschaftlichen Produkten
ermöglichten313. Der Siechenhof z.B. besaß eine große Rinderherde und betrieb eine eigene Molkerei, in der
Milch zu Butter und Käse verarbeitet wurde. Das Große Hl. Kreuz dagegen erwirtschaftete einen nicht
unbedeutenden Teil seines Einkommens mit dem Verkauf von Getreide314.
Die Leitung der Spitäler lag in der Hand von Vorstehern, die aus den Reihen des Rates gewählt wurden.
Als Vertreter des Rates nahmen sie sämtliche Amtsgeschäfte des Spitals wahr und verwalteten dessen
Besitz und Finanzen. Im Fall von St. Pankratius gab es eine Aufteilung der Aufgabenbereiche zwischen den
beiden Provisoren: Während der eine für die Landwirtschaft zuständig war, führte der andere die Aufsicht
über die Instandhaltung der Gebäude des Siechenhofes. Meist versahen die Vorsteher ihr Amt auf Lebens-
zeit315. Neben ihnen gab es einen Hofmeister und eine Hofmeisterin, die aus dem Kreis der Spitalinsassen
kamen. Wegen der Bedeutung ihrer Ämter wurden sie vom Rat vereidigt. Für ihre Tätigkeit erhielten sie
neben ihrer Pfründe noch einen Lohn. Waren der Rat und die Provisoren mit ihrer Arbeit zufrieden, blieben
sie - wenn dies nicht Krankheit oder Siechtum verhinderten - bis zu ihrem Tod im Amt316. Der Hofmeister
führte während der Abwesenheit der Vorsteher die Aufsicht über das Spital. Er war für die Organisation der
Krankenpflege zuständig. Auch überwachte er die Teilnahme der Bewohner am Gottesdienst. Beim Sie-
chenhof war er auch für die Verteilung der Arbeiten bei der Bebauung der Äcker zuständig317. Die Hof-

305 Vgl. Kelichhaus, Goslar um 1600, S. 207.
306 Vgl. DRW 10, Sp. 1019-1021 (Pfründe IV).
307 Vgl. Dreves, Armenwesen, S. 105f.; Kelichhaus, Gos-
lar um 1600, S. 199f.
308 Vgl. Dreves, Armenwesen, S. 108f., Kelichhaus, Gos-
lar um 1600, S. 205f.
309 Die Zahl der Pfründner schwankte in den drei Häusern,
vgl. die Angaben bei Kelichhaus, Goslar um 1600,
S. 204-207. Auf dem Siechenhof wurden in den Jahren
1593-1614 zwischen 22 und 26 Pfründner versorgt: Eine
Liste der Namen ebd., S. 205.
310 Vgl. ebd., S. 200.

311 Vgl. Dreves, Armenwesen, S. 123-125.
312 Vgl. Kelichhaus, Goslar um 1600, S. 211.
313 Zu den Besitzungen der einzelnen Spitäler vgl. die Dar-
stellung der einzelnen Häuser bei Dreves, Armenwesen,
S.102-121.
314 Ebd., S. 107.
315 Zu den Vorstehern vgl. Kelichhaus, Goslar um 1600,
S. 208f.
316 Vgl. ebd., S. 209-211.
317 Zur Tätigkeit des Hofmeisters im Großen Hl. Kreuz, vgl.
Bruchmann, Hausordnung, Art. 29.

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