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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0239
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Einleitung

Während die Sammlungen der Lehrschriften der benachbarten Städte Braunschweig und Göttingen aus
der Zeit vor der Entstehung des Konkordienbuches stammen, ist das Goslarer Corpus erst mehr als ein
Jahrzehnt nach dessen Veröffentlichung entstanden. Zusammengestellt wurde es von Heinrich Bünting, der
1590 Johannes Schellhammer als Superintendenten abgelöst hatte, nachdem dieser im Streit mit dem Rat
nach einer nur drei Jahre währenden Tätigkeit die Stadt verlassen hatte338. Nach der Einleitung in die Liste
der gültigen Lehrschriften wurden diese von den Geistlichen bei einer Zusammenkunft mit dem Rat am
9. November 1591 angenommen. Datiert ist das Schriftstück aber auf den 11. Mai 1595.
Das Goslarer Corpus doctrinae umfaßt die drei altkirchlichen Symbole, die beiden Katechismen
Luthers, die Confessio Augustana invariata nebst Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, das sogenannte
„Niedersächsische Bekenntnis“ und die Konkordienformel; es besitzt also einen eindeutig „lutherischen“
Charakter. Möglicherweise war die Zusammenstellung eines so geprägten Corpus (s. vor allem die Auf-
nahme des „Niedersächsischen Bekenntnisses“339) eine Reaktion auf die vorausgegangenen Konflikte des
Ministeriums mit dem Syndikus Georg Kleine und dem zum Pfarrer der Stephanskirche berufenen Heinrich
Temmius340. Sowohl Kleine als auch Temmius waren von der Versammlung der Pfarrherrn der Anhänger-
schaft der calvinistischen Lehre beschuldigt worden. Temmius mußte sich im Juli 1590 vor dem Rat ver-
antworten und eine ihm vom Ministerium vorgelegte Verwerfung calvinistischer Lehrsätze unterschrei-
ben341.
Die Liste der Unterschriften unter die Sammlung der fortan für alle Geistlichen der Stadt verbindlichen
Lehrschriften beginnt mit der des Superintendenten Heinrich Bünting. Im Jahr 1599 wurde Bünting wegen
Lehrstreitigkeiten (man beschuldigte ihn des Nestorianismus) aus dem Amt entlassen342. Mit ihm endet die
Periode der Superintendenten in Goslar. Erst im 19. Jh., während der Zugehörigkeit Goslars zum König-
reich Hannover, gab es wieder einen Superintendenten in der Stadt am Harz343. Auf Bünting folgen die
Unterschriften der Pfarrer der Goslarer Parochien, beginnend mit der Hand des Pastors von St. Stephani,
Heinrich Temmius. Die Liste endet 1640 mit dem Pfarrer der Frankenberger Pfarrei Balthasar Wiedeburg.
29. Vertrag zwischen dem Rat der Stadt Goslar und dem Kapitel des Stifts St. Simon und Judas, 4. Mai
1605 (Text S. 341) /
Siehe hierzu die Erläuterungen unter Nr. 31

338 Zum Konflikt zwischen dem Rat und dem Superintenden-
ten Schellhammer s. den Bestand StadtA Goslar B 4577.
339 Zum „Niedersächsischen Bekenntnis“, das vor allem die
Handschrift von Martin Chemnitz trägt, vgl. die Erläu-
terungen unter Nr. 28, Anm. 7.
340 Der Auseinandersetzung um Kleine und Temmius waren
andere Lehrstreitigkeiten vorausgegangen. Für große
Aufmerksamkeit sorgte vor allem der Streit um Christoph
Osterodt (Osterodanus), einen Sohn des langjährigen
Pfarrers von St. Stephani, Henning Osterodt. Christoph
Osterodt hatte sich in Schlochau in Pommern, wo er nach
dem Studium in Königsberg als Präzeptor tätig war, den
Sozinianern angeschlossen. Aus Schlochau ausgewiesen,
kam er Mitte der achtziger Jahre in seine Heimatstadt
zurück, wo er anscheinend in der Folge eine Reihe von
Anhängern gewann, darunter auch seine Mutter Katha-

rina. Eine ausführliche Dokumentation des zwischen
Osterodt und den Goslarer Prädikanten ausgetragenen
Streites, in dessen Rahmen auch eine öffentliche Dispu-
tation stattfand, findet sich in Heinecke, Antiquitatum
Goslariensium [...] libri sex, S. 518-539 und Ders.,
Kurtze Historische Nachricht, S. 34-80.
341 StadtA Goslar B 4576, s. auch Kelichhaus, Goslar um
1600, S. 40 und Hasselbring, Stephanikirche, S. 13f.
342 Zu Bünting vgl. NDB 2, S. 741 und Karljosef Kre-
ter, Städtische Geschichtskultur und Historiographie.
Das Bild der Stadt Hannover im Spiegel ihrer Geschichts-
darstellungen von den Anfängen bis zum Verlust der städ-
tischen Autonomie, phil. Diss. Hannover 1996, S. 174-
209.
343 Vgl. Hesse, Superintendenten, S. 108.

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