Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0376
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bremen

halb des Dombezirks kam58. Die Pfarrei blieb aber eng mit dem Dom verbunden; das Recht der Investitur
des Pfarrers lag beim Dompropst59. Die Kirche trug zunächst das Patrozinium des Hl. Veit60, erhielt später
aber, im Zuge der aufkommenden Marienverehrung, das Patrozinium der Gottesmutter. Unter den Bremer
Pfarrkirchen besaß die Liebfrauenkirche aufgrund ihres Alters und ihrer Lage am Markt, in der Nähe des
Rathauses, immer eine hervorgehobene Stellung. Sie wurde als „Marktkirche“ bezeichnet; teilweise wurde
der Kirchhof sogar für den Marktverkauf genutzt. Daneben war die Liebfrauenkirche auch die „Ratskir-
che“. Bei der Einsetzung eines neuen Rates sowie vor wichtigen Zusammenkünften versammelten sich die
Ratsherren in der Kirche. Die enge Verbundenheit der städtischen Führung mit der Liebfrauenkirche zeigt
sich auch in der Stiftung von drei Altären durch den Rat61.
Die Liebfrauenkirche war zunächst die Pfarrkirche für alle Bewohner des Ortes Bremen und der umlie-
genden Dörfer und Siedlungen. 1139 kam es dann aber zu einer ersten Abspaltung von der Großpfarrei. In
diesem Jahr verlegte Erzbischof Adalbero das von seinem Vorgänger Adalbert gegründete Wilhadistift auf
den Stephansberg und übertrug der Stiftskirche die Pfarrechte für die Stephanisiedlung (s. oben unter A,
S. 352) sowie für die Dörfer Utbremen und Walle62. Die Betreuung der Pfarrei übernahmen vier Mitglieder
des Stiftskapitels, welche die Priesterweihe besaßen63.
Wegen der starken Bevölkerungszunahme war Anfang des 13. Jh. dann aber eine grundlegende Neuord-
nung notwendig. Im Frühjahr 1227 wandte sich die Bürgerschaft an Papst Gregor IX. mit der Klage, daß
der Pfarrer der Liebfrauenkirche mit seinen beiden Helfern den geistlichen Bedürfnissen der zahlreichen
Bevölkerung schon seit längerer Zeit nicht mehr genüge. In einem Schreiben vom 31. Juli 1227 befahl der
Papst dem Bremer Erzbischof deshalb die Aufteilung der bisherigen Pfarrei in drei Sprengel, die jeweils mit
einem Pfarrer und einem Helfer versehen werden sollten64. Die Aufteilung der bisherigen Pfarrei Unserer
Lieben Frau nahmen Mitglieder des Domkapitels vor: Ein Sprengel blieb bei der Liebfrauenkirche, die
beiden anderen wurden St. Martini und der Kirche des Ansgariistifts zugewiesen65. 1229 legte der Erzbi-
schof dann unter Einbeziehung der Stephanipfarrei die Grenzen der Parochien fest: Das Kirchspiel der
Liebfrauenkirche behielt weiterhin das städtische Zentrum um den Marktplatz. Vom Ansgariikirchspiel war
es durch die Sögestraße und die Verlängerung der Kleinen Waagstraße getrennt, vom Kirchspiel der Mar-
tinikirche durch die Balge.
Das Kirchspiel der direkt am Ufer der Weser errichteten Martinikirche war der kleinste der vier Pfarr-
sprengel. Das Kollatur- und Investiturrecht stand dem Dompropst als dem für die Stadt zuständigen
Archidiakon zu. Eng mit St. Martini verbunden war die Bremer Kaufmannschaft66. Über die Funktion als
Pfarrkirche hinaus nahm Martini mit der Seelsorge an den durchreisenden Kaufleuten und den Seeleuten
noch die Aufgaben einer „Hafenkirche“ wahr67.
Das Kapitel des Ansgariistifts hatte sich schon vor 1229 um die Verleihung von Pfarrechten bemüht, um
so mit dem Wilhadistift auf eine Stufe zu gelangen68. Anscheinend begann man kurz nach dem Erhalt der
entsprechenden Rechte mit dem Bau einer Kirche, da die bisher genutzte Jakobikapelle für die Gottesdien-

58 Vgl. den Bericht Adams von Bremen (Buch 2, Kap. 46 aus
MGH SS 7, S. 322) abgedruckt in Bremisches UB 1,
Nr. 17, S. 17: faceret ecclesias per dioecesim renovari, ex
quibus etiam basilicam Sancti Viti extra oppidum construi
et capellam sancti Willehadi combustam iussit reparari.
59 Vgl. Schwarzwälder, Kirchspiele, S. 152.
60 Die Reliquien des Hl. Vitus waren 836 aus St. Denis an
die Benediktinerabtei Corvey gekommen. Über Corveyer
Mönche (zu denen auch Ansgar gehörte) wurde die Vereh-
rung des Hl. Veit dann vor allem auch im Norden ver-
breitet.
61 Vgl. Hägermann / Weidinger, Kirchengeschichte
Mittelalter, S. 297-306.

62 Bremisches UB 1, Nr. 32, S. 37-39.
63 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 1, S. 224.
64 Bremisches UB 1, Nr. 144, S. 166f. Vgl. Schwarzwäl-
der, Kirchspiele, S. 156, der dort auf die fast zur gleichen
Zeit vorgenommene Teilung der Großpfarre in Hamburg
aufmerksam macht.
65 Bremisches UB 1, Nr. 148, S. 170.
66 So wurde die Kirche mit Bezug auf die Elterleute der
Kaufmannschaft als Ollermanskerke bezeichnet.
67 Vgl. Hägermann / Weidinger, Kirchengeschichte
Mittelalter, S. 306-317.
68 Vgl. vor allem Schwarzwälder, Kirchspiele, S. 155f.

356
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften