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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0378
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Bremen

machen. Der Konflikt zwischen Propst und Kapitel führte 1379 zum Verzicht des Propstes auf die Ver-
waltung des Kapitelvermögens und die geistliche Jurisdiktion. An seine Stelle rückte ein Dekan an die
Spitze des Kapitels76.
Durch die zunehmende Verweltlichung des Domklerus gingen immer mehr geistliche Aufgaben auf die
Domvikare über. Die Altarstiftungen des 14. und 15. Jh. sorgten dann für einen rapiden Anstieg der Zahl
der Vikare (= Kapläne), so daß vor der Reformation etwa 70-80 Vikare am Dom tätig waren. Bereits um
1300 hatten sich die Vikare in einer Gemeinschaft organisiert. Die hohen Eintrittsgebühren führten zwi-
schen 1420 und 1430 aber zur Gründung einer „Gemeinschaft der neuen Vikare“ durch die Besitzer weniger
gut ausgestatteter Pfründen77.
Nach Einführung der Reformation bestand das Domkapitel weiter. Der Rat sicherte den Domherren
1533 ihre hergebrachten Rechte und Einkünfte zu. Mitte des 16. Jh. war die Mehrzahl der Domherren
bereits evangelisch (s. die Wahl Albert Hardenbergs zum Domprediger78). Wegen der weiterhin bestehenden
Rechte des Papstes und Kaisers blieb das Kapitel bis zu seiner Auflösung aber konfessionell gemischt.
Aufgelöst wurde das Domkapitel im September 1649, nachdem das Erzstift im Westfälischen Frieden der
Krone Schwedens zugefallen war79.
Von deutlich geringerer Bedeutung als das Domstift waren die beiden anderen Bremer Stifte, das Wil-
hadi- und das Ansgariistift. Das Kollegiatstift St. Willehad ging auf eine Stiftung des Erzbischofs Adalbert
von 1050 zurück. Von seinem Nachfolger Adalbero wurde es dann 1139 auf den Stephansberg verlegt. In der
Folge erscheint es als Stephani- oder Wilhadistift oder auch mit dem Namen beider Patrone gleichzeitig.
Das Kapitel bestand aus zwölf Kanonikern. Seit 1230 wurde der Propst des Stifts jeweils aus den Reihen
der Domherren gewählt. Wie beim Domstift kam es auch bei St. Willehad zum Konflikt zwischen Propst
und Kapitel und zur Etablierung eines Dekans an der Spitze der Gemeinschaft. Die Vikare des Stifts
schlossen sich Anfang des 14. Jh. zu einer Gemeinschaft zusammen. Seine Blütezeit erlebte das Stift Ende
des 13. und Anfang des 14. Jh. Es bestand auch nach der Einführung der Reformation weiter, wobei sich die
wirtschaftliche Lage immer weiter verschlechterte. Im Jahr 1545 einigte sich das Kapitel mit dem Bremer
Rat über die Besetzung der in den päpstlichen Monaten freiwerdenden Pfründen (s. Nr. 6). Ende des 17. Jh.
erlosch dann das vollkommen verarmte Stift80.
Erzbischof Hartwig II. wandelte 1185/87 eine vom Hl. Ansgar gestiftete Gemeinschaft von zwölf armen
Geistlichen in ein Kollegiatstift um. Anders als das von den Erzbischöfen geförderte Wilhadistift genoß das
Ansgariistift zunächst nur wenig Unterstützung, so daß die wirtschaftliche Lage der Kanoniker im 13. Jh.
eher dürftig war. Hinzu kamen die hohen Aufwendungen für den Bau der Ansgariikirche (s. oben unter
B 1)81. Über mehrere Jahrzehnte hin war das Verhältnis innerhalb des Kapitels durch den Streit zwischen
dem Propst (der jeweils aus dem Kreis der Domherren stammte) und den anderen elf Kanonikern belastet.
Erst die von Erzbischof Giselbert von Brunkhorst (1273-1306) vermittelte Trennung zwischen Propst- und
Kapitelgut setzte dem Streit ein Ende. Auch hier trat ein Dekan an die Spitze des Kapitels. Die Vikare,
deren Zahl die der Kanoniker bald um das Doppelte übertraf, schlossen sich Anfang des 14. Jh. zu einer
eigenen Gemeinschaft zusammen. Wegen der mit der Zeit immer höheren Eintrittsgelder kam es um 1400
wie beim Domstift zur Gründung einer zweiten Vikarsgemeinschaft. Nach Einführung der Reformation
bestand das Stift noch eineinhalb Jahrhunderte weiter, bis es 1673 nach dem Verlust aller Güter aufgelöst
werden mußte82.

76 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 1, S. 195f.
77 Ebd., S. 196f.
78 Siehe die Einleitung zu den Texten Nr. 9a und b.
79 Niedersächsisches Klosterbuch 1, S. 197-199.
80 Ebd., S. 223-228; Hägermann / Weidinger, Kirchen-
geschichte Mittelalter, S. 342-364.

81 Vgl. Wilhelm von Bippen, Die Anfänge des Anscha-
riicapitels und die Bremische Kirchspiels-Eintheilung, in:
BrJ 10 (1878), S.106-123.
82 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 1, S. 233-239; Hä-
germann /Weidinger, Kirchengeschichte Mittelalter,
S. 317-341.

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