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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0380
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Bremen

nur zwei Beginen-Niederlassungen89. Die Schwestern der beiden um die Mitte des 13. Jh. entstandenen
Häuser St. Nicolai und St. Katharinen entstammten überwiegend Familien der städtischen Oberschicht.
Beide Häuser waren mit umfangreichem Grundbesitz und mit Renten ausgestattet, so daß die Schwestern
nicht auf eigene Arbeit angewiesen waren. Im Jahr 1426 zählte St. Nicolai 16 und St. Katharinen 17 Schwe-
stern. An der Spitze der Gemeinschaften stand eine Magistra. Die rechtliche Vertretung der Häuser nahm
jeweils ein Tutor wahr. In beiden Beginenhäusern scheint es kaum Widerstand gegen die Einführung der
Reformation gegeben zu haben. 1602 wurden beide Gemeinschaften in St. Katharinen zusammengefaßt90.

II. Die Reformation in Bremen
A. Die Einführung der Reformation in Bremen
Nach dem Urteil von Bodo Heyne begann die Reformation in Bremen im November 1522 „ohne erkennbare
Planung und Vorbereitung“91. Bis 1522 scheinen die Schriften Luthers und damit dessen Ideen in Bremen
weitgehend unbekannt gewesen zu sein92. Angesichts dessen ist es umso überraschender, wie schnell die
Reformation in der Stadt an der Weser Fuß fassen konnte.
Die Geschichte der Reformation in Bremen ist untrennbar mit der Person Heinrichs von Zütphen
(Zutphen) verbunden. Wie Luther war Zütphen Mitglied des Ordens der Augustinereremiten. 1508 kam er
zum Studium nach Wittenberg. 1514 wurde er Subprior des Kölner und 1516 Prior des Dordrechter Kon-
vents; 1520 legte er sein Priorat aber nieder. Noch im gleichen Jahr reiste Zütphen nach Wittenberg, wo er
enge Kontakte zu Luther und Melanchthon knüpfte. Nachrichten von der Verfolgung der Evangelischen in
den Niederlanden durch die Inquisition veranlaßten ihn 1522 zur Rückkehr in die Heimat. Er wurde wegen
seiner Predigten verhaftet, konnte aber aus dem Gefängnis fliehen und brach, um sich weiteren Nachstel-
lungen zu entziehen, wohl wieder nach Wittenberg auf. Auf dem Weg dorthin kam er im November 1522
nach Bremen93.
In Bremen baten einige Bürger Heinrich von Zütphen um eine Predigt. Unter ihnen waren Eberhard
Speckham, der Schwiegersohn des Bürgermeisters Meimer von Borcken, und der Ratsherr Heinrich Esich,
der auch das Bauherrenamt der Pfarrkirche St. Ansgarii bekleidete. Die Predigt fand am 9. November 1522
in einer Seitenkapelle der Kirche statt, vermutlich ohne daß das Stiftskapitel vorher konsultiert worden
war. Anscheinend stieß die Predigt auf große Zustimmung bei den Zuhörern; jedenfalls baten die Kirch-
spielleute Zütphen um eine Fortsetzung seiner Verkündigung94. Zütphen wandte sich daraufhin in einem
Brief an Luther, um über diesen von seinem Oberen, dem Generalvikar der Observantenkongregation des
Ordens, Wenzeslaus Linck, eine Erlaubnis für die Predigttätigkeit in Bremen zu erwirken. In Vertretung des
abwesenden Generalvikars erteilte ihm Luther die Erlaubnis95.

Viele Bremerinnen traten in die nicht weit von der Stadt
entfernt gelegenen Frauenkonvente ein, wie z.B. in das
Zisterzienserinnenkloster Lilienthal.
Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 1, S. 254-259; Hä-
germann / Weidinger, Kirchengeschichte Mittelalter,
S. 413-418; Tacke, Klöster in Bremen, S. 63-74; Lange,
Geschichte der christlichen Liebestätigkeit, S. 45-47.
Zitat aus Heyne, Reformation in Bremen, S. 14. In Bre-
men sucht man vergeblich nach Zeichen einer besonderen
Aufgeschlossenheit gegenüber der Reformation: Es gab in
Bremen keine humanistische Sodalität wie anderenorts (s.
Augsburg, Erfurt, Nürnberg). Die Stadt verfügte auch

über keine Universität oder eine über den lokalen Rah-
men hinauswirkende Schule, die für ein anregendes gei-
stiges Klima hätten sorgen können. Bis 1525 fehlten auch
die für die Verbreitung der neuen Lehre so wichtigen
Druckereien.
92 Vgl. Moeller, Reformation in Bremen, S. 59.
93 Zur Biographie Heinrichs von Zütphen vgl. RGG4 3,
Sp. 1602; NDB 8, S. 431; Johann Friedrich Iken,
Heinrich von Zütphen, Halle 1886 (= SVRG 12).
94 Vgl. Iken, Erste Epoche, S. 47-49; Heyne, Reformation
in Bremen, S. 15.
95 Vgl. das Schreiben Luthers an Wenzeslaus Linck vom 19.

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