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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0385
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Einleitung

dern wolle. Das Heil werde nicht durch die Beachtung vorgeschriebener Formen, sondern allein durch den
Glauben erworben.
Dem eigentlichen Meßformular sind drei vermutlich von Kantz selbst verfaßte Gebete vorangestellt.
Die Gebete werden in Anlehnung an 1Kor 11,28 als eine Art persönlicher Vorbereitung auf die „geistliche
Nießung“ des Herrenmahls verstanden126. Anscheinend erfreuten sich die Gebete großer Beliebtheit, da sie
den verschiedenen Ausgaben der Kantzschen Messe jeweils beigegeben sind127. Probst lehnt sich weitgehend
an den Wortlaut der Gebete bei Kantz an. Nur beim dritten Gebet „Item eyn ander gebeth und betrach-
tinge by der Missen“ hat er größere Änderungen vorgenommen. Vor allem der letzte Teil des Gebets ist
weitgehend selbständig formuliert. Als Belegstelle, daß Gott das Sakrament zu einem Zeichen und Pfand
seiner Zusage gegeben hat, wählt Probst anstelle der Verbindung von Joh 6,56 und 54b bei Kantz die Verse
aus Joh 3,14-15, wo von der Erhöhung des Sohnes in Anlehnung an die Erhöhung der ehernen Schlange im
Alten Testament die Rede ist, und schafft damit eine Verbindung zur Elevation hin. Mit der Einfügung des
unde vake (und oft) betont er den Wunsch nach einer möglichst häufigen Feier des Abendmahls.
Mit der Überschrift „Eyne forme der maniren, wo men eyn Evangelische Misse holden sol“ wird der
Beginn der Messe angezeigt. Auch hier lehnt sich Probst eng an die Vorlage von Kantz an. Über die Gestalt
des vorangegangenen Gottesdienstes ist bei beiden nichts gesagt. Die Vorbereitung auf die Messe selbst
besteht aus den fünf Elementen: 1. Vermahnung, 2. Absolution der Gemeinde, 3. Priesterbeichte, 4. Anru-
fung des Heiligen Geistes und 5. Kollektengebet128.
Die Texte der Präfation und des Sanctus sind von Kantz ohne wesentliche Änderungen aus dem Missale
Romanum übernommen worden, wobei die Präfation entgegen dem Bestreben der Reformatoren nach einer
stärkeren Beteiligung der Gemeinde hier als Gebet des Pfarrers gestaltet ist und nicht als Dialog zwischen
Pfarrer und Gemeinde. Gegenüber Kantz gibt Probst das Gebet in gekürzter Form wieder129.
Die Überschrift „Hier hevet sick erst de Evangelische Misse an“ lehnt sich an den mittelalterlichen
Sprachgebrauch an, der nicht den gesamten Gottesdienst, sondern nur den Kanon als „Messe“ bezeichne-
te130. Als eucharistisches Hochgebet hat Kantz das „Quam oblationem“ aus dem Missale Romanum
gewählt. Probst fügt der in dem Gebet ausgeprochenen Wandlungsepiklese den für die lutherische Theologie
charakteristischen Gedanken hinzu, daß sich die Wandlung in der „Dimension des Glaubens“ vollziehen
soll131. Auf die Einsetzungsworte folgt ohne Überleitung das Vater unser, das ohne Schlußdoxologie gespro-
chen wird; daran schließen sich das Agnus Dei und das Gebet vor der Kommunion an.
Bei der Austeilung von Brot und Wein findet bei Probst anders als bei Kantz die Priesterkommunion
(d.h. der Priester nimmt vor der Gemeinde das Sakrament) keine Erwähnung. Die Bremer Messe leitet
vielmehr direkt zur Austeilung an die Gemeinde über, wobei hier der Kreis der Kommunikanten im Unter-
schied zu Kantz eingrenzt und der Gedanke der Sündenvergebung besonders hervorgehoben ist (denen, de
dat myt eynen hungerigen, sundigen herten begerent). Auf die von Kantz vorgeschlagene Elevation der Hostie
wird verzichtet; auch der an die Spendeformel angeschlossene Friedensgruß wird nicht übernommen132. Als
Dankgebete folgen auf die Kommunion das „Nunc dimittis“ aus Lk 2,29-32 und das „Te Deum laudamus“.
Diesen schließen sich bei Kantz noch zwei Kollektengebete an, die bei Probst ausgelassen sind133.
Zwei Jahre nach Kantz’ „Von der Evangelischen Mesß“ übertrug Probst auch noch Oekolampads „Form
und gstalt, wie der kinder tauff, des herren nachtmal und der krancken heymsuchung jetz zu Basel von

126 Vgl. Schmidt, Bremer evangelische Messe, S. 65.
127 In die Edition der Kantzschen Messe bei Sehling, EKO
XII sind die Gebete nicht mitaufgenommen worden;
dagegen hat sie Smend, Messen, S. 43-46 abgedruckt.
128 Vgl. Schmidt, Bremer evangelische Messe, S. 67f. Ver-
mutlich gehen die Anfügung der Anrufung des Heiligen

Geistes und des Kollektengebets an die Offene Schuld und
die Absolution auf Kantz zurück.
129 Ebd., S. 73.
130 Vgl. Jungmann, Missarum sollemnia 1, S. 232.
131 Vgl. Schmidt, Bremer evangelische Messe, S. 75.
132 Ebd., S. 80f.
133 Ebd., S. 82-84.

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