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Bagordo, Andreas; Leucon
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 1,2): Leukon - Xenophilos: Einleitung, Übersetzung, Kommentar — Heidelberg: Verl. Antike, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.47762#0048
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Βάκχαι (fr. 1)

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πολύ τουναντίον / ψυχόμενον έν τώ φρέατι <και> χιόνι μεμιγμένον) wird dem
warmen Wein der im Brunnen gekühlte vorgezogen, wobei die Vermischung
mit Schnee erst beim Servieren erfolgt (vgl. Orth 2009, z. St.); in Diph. fr.
56 [Mnemation] (ψϋξον τον οίνον, Δωρί) wird wohl eine Dienerin (Doris)
aufgefordert, den Wein zu kühlen.
Textgestalt Die Sprecherverteilung geht auf Kock 1700 zurück (früher sah sie
so aus: [A.J "Ερμων - έχομεν; [EP.] τί 6’ - καθεϊκέ με). Das tradierte καθεικέναι
wurde in das plausible καθεϊκέ με von Dobree 1833, 304 emendiert (das καθεϊκε
νώ; von Toeppel 1857, 5 setzt voraus, daß beide Brüder in den Brunnen her-
unter mußten, was die Frage des ersten Bruders an Hermon über den allge-
meinen Zustand nicht erklärt). Es gibt keinen Grund, das in CE tradierte, aber
unmetrische μοι δοκεϊ in έμοι δοκεϊν, mit dem Infinitiv, zu emendieren (selbst
wenn μοι δοκεϊν in A überliefert ist): diese Form würde nämlich ein Unikum
in der Komödie darstellen (vgl. hier unten, zum Wort).
Interpretation Es ist ein Dialog zwischen zwei männlichen Figuren (vielleicht
Brüdern?), von denen der namentlich angesprochene (Hermon) wahrscheinlich
von einer Strafe erzählt, die er vom Vater erleiden mußte. Die Umstände, die
zu dieser Strafe geführt haben, wenn es sich denn um eine handelt, sind nicht
bekannt. Daß sich Hermon auf der Bühne tatsächlich noch im Brunnen befand
(so Kaibel in Kassel-Austin z.St.: „alter fratrum in scaena praesens adloquitur
Hermonem fratrem in cisternam deiectum“), ist zwar vorstellbar (als zweistu-
fige Bühnenaktion; vgl. dazu Mastronarde 1990), aber keineswegs zwingend:
Hermon könnte genauso gut von einem bereits geschehenen Ereignis berich-
ten, das bei ihm jedoch noch Folgen hatte - etwa in der Form von Verletzungen,
falls er in den Brunnen heruntergelassen wurde. Knemons Brunnen steht z.B.
im Mittelpunkt von Menanders Dyskolos (Men. Dysc. 190-1. 576ff. 620ff.), ist
jedoch auf der Bühne nicht sichtbar. In Plat. fr. 19 [Hellas e Nesoi] (βούλει τήνδε
σοι πλεκτήν καθώ / καπειτ’ ανελκύσω σε δεύρο;) eilt jemand zur Abseilung
von jemand anderem herbei, der sich in irgendeinem unterirdischen Loch
bzw. einem Brunnen befinden könnte (zu der aufwendigen Bergungsaktion in
Aristophanes’ Frieden, um Eirene aus der Höhle herauszuziehen, vgl. Landfester
1977, 163 A. 22).
Wir sind darüber informiert, daß sich in Aristophanes’ Anagyros eine Magd
in einen Brunnen stürzte (Ar. Anagyros test. = PCG III.2 51 ή δε παλλακή εις
φρέαρ έαυτήν ερριψεν). Daß sich Alexis’ Komödientitel Ή εις τό φρέαρ ,Die,
die zum Brunnen ...‘ für das Verständnis der Situation der beiden Männer als
ertragreich erweist, ist - abgesehen von der Präsenz eines Brunnens - schwer-
lich anzunehmen (pace Kock I 701, der von einer ähnlichen Szene spricht):
anders als bei Lysippos, wurde hier das Mädchen bzw. die Frau, aus welchem
Grund auch immer, zum Brunnen geschickt, nicht in den Brunnen herunter-
 
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