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Sonntag, Jörg [Hrsg.]; Ziegler, Thomas A. [Bearb.]
Die Gesetzgebung der Cauliten im 13. Jahrhundert: ausgewählte Zeugnisse ihrer Verfassung : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 10: Regensburg: Schnell + Steiner, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.72132#0070

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Einleitung

69

hen werden, soll im Folgenden nach der Stellung der caulitischen Texte innerhalb
der aktuellen Forschungsdiskussion um die Statuten der religiösen Orden des Mit-
telalters gefragt werden. Bedenkt man nämlich, dass sich beispielsweise unter die
zisterziensischen Statuten auch (konkreten Visitationen erwachsene) Einzelfall-
entscheidungen mischten oder sich die frühen dominikanischen Statuten unter
dem Begriff der consuetudines präsentierten, so scheinen all jene Begrifflichkeiten
von den Zeitgenossen selbst bisweilen außerordentlich beliebig genutzt worden
zu sein. Darin unterschieden sich die Cauliten vermutlich nicht von anderen Or-
den.
Gleicht man aber diese Befunde mit den modernen Definitionen von ,Statuten'
ab, so wird rasch deutlich, dass die hier edierten Beschlusssammlungen ab den
C-Statuten (eventuell um 1230, aber sicher vor 1238) inhaltlich und formal sämt-
liche Eigenschaften von ,Statuten' im heutigen Sinn besitzen. Nahezu ausnahms-
los handelt es sich um hypothetisch-generelle, prospektive Rechtssetzungen ohne
einen artikulierten direkten Kausalitätsbezug. Fokussiert auf ordensintern gleich-
förmiges Handeln erreichen also auch die caulitischen Statuten ein zweckorien-
tiertes, hohes Niveau an abstrakter Formalität. Mittels gesatzter Kriterien konn-
ten zumindest tendenziell alle konkreten Situationen in derartige Formalsituatio-
nen eingebettet werden. Erst diese den Statuten innewohnende klare Komplexi-
tätsreduktion wiederum erlaubte es, diverse Sachlagen routiniert, mithin erkenn-
und wiederholbar, rechtssicher zu bewältigen.
Die in der vorliegenden Edition (wie bei Edmond Martene und V) als Kon-
stitutionen' gefassten Bestimmungen (A) liegen quasi als erste Ausführungsbe-
stimmungen zum Liber Ordinarius damit in gewisser Weise zwischen dem im
Liber noch stärker artikulierten klassischen Gewohnheitsrecht einerseits, in dem
die Geltung tendenziell eher in der Handlung als im diese Handlung beschrei-
benden Wort lag, und den Statuten andererseits, die ihre Geltung aus dem Text
bezogen.116 Auch hinsichtlich der Wirkmacht ihrer Statuten jedenfalls waren die
Cauliten nicht allein, sondern konnten sie vor allem auf die entsprechenden Mo-
delle der Zisterzienser, Kartäuser oder Dominikaner schauen.
Neben jenem hier nicht edierten Liber Ordinarius117 und dem Ordo de Con-
versis (B) sind es - wie oben schon ausgeführt - vor allem die Konstitutionen (A),
nicht also die Statuten, deren erste Kapitel in markanter Weise aus den Gesetzes-
werken der Zisterzienser schöpften. A.1-26 übernehmen zuweilen wörtlich ganze
Abschnitte aus den Instituta Generalis Capituli apud Cistercium und dem Libel-

116 Siehe zu diesem Geltungsbegriff vor allem Melville, Action, Text, and Validity, S. 67-83.

117 Siehe die Konkordanz 2 im Anhang, unten, S. 321.
 
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