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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0019
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1. Einleitung

Diese Wirkungen zu untersuchen bedeutet, Textspuren zu folgen. Ein „Begriff
selbst hat“, wie Reinhart Koselleck bemerkte, „keine Geschichte, seine Rezep-
tion hingegen doch“.22 Eine solche Geschichte der Rezeption verspricht mithin
auch Aufschluss über die Aktualisierungen des Motivs der vier Arten des Gewis-
sens. Noch weniger als für die Textzeugen des Gewissensmotivs im 12. Jahrhun-
dert war für das Feld seiner Rezeptionsgeschichte Vollständigkeit anzustreben.
Doch bereits eine erste, nur kursorische Suche brachte eine beachtliche Fülle an
Bezugnahmen zutage. Sie bezeugen nicht allein ein langanhaltendes Interesse am
Motiv, sondern zugleich dessen feste Verankerung im Kanon der Moraltheologie
und ebenso seine Präsenz in der Katechese.
Im Ergebnis zeigt sich das Gewissen selbst für den schmalen Bereich der hier
untersuchten Texte als ein fundamentales Problem. Mit ihm waren zu Zeiten
ihrer Entstehung wie auch Rezeption stets die großen Fragen des Menschen ver-
knüpft: die nach Schuld, nach Verantwortung, nach der Freiheit des Willens. Es
gab in diesen Bereichen kein Handeln, das nicht zugleich Gewissensfrage war.23
1.2 Hinweise zu Gliederung und Gestaltung
Mit der vorliegenden Arbeit sind hauptsächlich zwei Absichten verbunden: Zum
einen wird es darum gehen, das Ordnungsschema der vier in Kreuzklassifikation
verbundenen Gewissensarten in seinen jeweiligen historischen Zusammenhän-
gen seit der Zeit seiner Etablierung im 12. Jahrhundert bis hinein in die Gegen-
wart vorzustellen. Zum anderen soll jener Text, in dem dieses Motiv seine
umfangreichste Entfaltung fand - der Traktat Von den vier Arten der Gewissen -
kritisch ediert und in deutscher Übersetzung vorgelegt werden. Dieser Text ist
wegen der Ausführlichkeit, mit der er das Schema der vier Gewissensarten ent-
faltet, dabei auch Gegenstand eigener Kapitel, in denen neben Fragen der Entste-
hung und Zuschreibung, Überlieferung und intertextuellen Bezüge auch einige
seiner inhaltlichen Besonderheiten herausgearbeitet werden.
Das Vorgehen soll dabei in drei Schritten erfolgen: Zunächst wird ein erster
Überblick einiger Gewissensvorstellungen des Mittelalters im Allgemeinen und
entsprechender Systematisierungen im Besonderen gegeben. Daran anschlie-
ßend sollen die dem 12. Jahrhundert entstammenden Textzeugen des Motivs der
vier Gewissensarten vorgestellt werden. In diesem Zusammenhang werden
neben dem Gewissenstraktat auch die anderen, zum Teil bisher unedierten
22 R. Koselleck, Hinweise auf die temporalen Strukturen, S. 34. Vgl. hierzu auch H. E. Böde-
ker, Begriffsgeschichte als Methode, S. 118.
23 Vgl. B. Nelson, Eros, S. 157.
 
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