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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0239
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6. Rezeptionen und Wirkungen

Brieftraktat über die vier Gewissensarten war als eine solche Anleitung erbeten
und abgefasst worden. Dass das titelgebende Motiv bereits frühzeitig aufgegrif-
fen und in andere Texte übertragen wurde, verweist auf dessen Präsenz im Den-
ken der Zeit.
Überblickt man diese Bezugnahmen fällt auf, dass dieses Interesse bereits früh-
zeitig in verschiedenen Zusammenhängen zum Ausdruck kommt: Während so-
wohl die Flores Bernardi als auch die Vita lesu Christi des Kartäusers Ludolf
von Sachsen noch als Zeugnisse einer mystisch-meditativen Spiritualität zu se-
hen sind, ist der Dominikaner Johannes Nider mit seinem Trostbuch des geängs-
tigten Gewissens bereits Repräsentant eines neuen Typus von Frömmigkeit, für
die das pastorale Moment im Vordergrund stand, und die ganz entscheidend von
Bettelordensgeistlichen getragen wurde.48 Damit bewegen sich diese drei nachfol-
gend vorzustellenden Beispiele genau zwischen jenen Bereichen, die bereits für
das Motiv der vier Gewissensarten als solches prägend waren, verknüpfte dieses
doch seit seinen Anfängen ein analytisches Interesse mit seelsorgerlicher Absicht.
Flores Bernardi
Unter den Verbreitungswegen des unter dem Namen Bernhards von Clair-
vaux zirkulierenden Schrifttums nehmen Exzerptsammlungen und Blütenlesen
einen hervorragenden Platz ein. Sie begegnen als Dieta, Verba, Auctoritates, Sen-
tentiae oder Flores - die Liste der Benennungen solcher Zusammenstellungen
ließe sich fortsetzen.49 Entsprechende Auslesen scheinen schon früh entstanden
zu sein. So ist bereits aus dem Jahr 1157 ein Brief des Johannes von Salisbury
überliefert, in dem dieser Petrus Cellensis um die Übersendung von Werken
Bernhards bat, wobei eigens Flores Bernardi Erwähnung finden:
„Wenn du einen vertrauenswürdigen Boten findest, so übersende mir doch die
Briefe des heiligen Bernhard. Auch bitte ich dich darum, doch dafür Sorge zu tra-

S. 180-2. R. Goy, Überlieferung Hugo, S. 482, zählte diesen Text zu den „wahrscheinlich ech-
ten Werken“. Neben den bei Goy gelisteten Handschriften ist zu verweisen auf: Av, 86r—116r
(vgl. oben S. 102); Cambrai, BM 261, 289v-294v, vgl. Katalog Cambrai, S. 97; Dijon, BM, MS
582,124v-156v, vgl. Katalog Dijon, S. 149; London, British Library, MS Arundel 214, 3v-4v, vgl.
Katalog London (Arundel), S. 59; Paris, BnF, MS lat 2922, lr-40r, vgl. http://archivesetma-
nuscrits.bnf.fr/ark:/12148/cc60739r; Poitiers, BM, MS 74 (294), 45r-55v, vgl. Katalog Poitiers,
S. 23, sowie zwei Handschriften aus Tours: BM, MS 396, 68r-76v und MS 488, 68r-76v,vgl. Ka-
talog Tours 1, S. 310, 392. Vgl. hierzu auch oben S. 172, Anm. 294.
48 Vgl. B. Hamm, Theologie und Frömmigkeit, S. 260f.
49 Vgl. die Übersicht der in der handschriftlichen Überlieferung vorkommenden Titel dieser
Sammlungen bei J. Leclercq, Saint Bernard et ses secretaires, S. 21.
 
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