6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen
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Die in diesem Abschnitt der Basler Handschrift kombinierten Fragmente re-
präsentieren ihrerseits drei Texte, die zu den am häufigsten überlieferten des
Mittelalters überhaupt zählen: Hugo Ripelins Compendium, der pseudo-
bernhardische Traktat De interiori domo sowie die ebenfalls Bernhard zuge-
schriebenen Meditationes piissime. Zentrales Thema dieser Auszüge sind - in
Fortsetzung des von Ludolf übernommenen Motivs der quadruplex conscien-
tia - wiederum Arten des Gewissens. Der unbekannte kartäusische Schreiber
gestaltete auf wenigen Seiten ein ganzes Panorama von möglichen Gewissens-
zuständen, bis hin zu jenem „füchsischen Gewissen“ („vulpina conscientia“),
das gleichsam einen Zustand der Unaufrichtigkeit bezeichnet.92 Zahlreiche
Marginalien von Hand des Priors Jacob Louber (f 1513), dem die Bibliothek
der Baseler Kartause ihre systematische Erweiterung verdankte,93 zeugen vom
Interesse, das diese Zusammenstellung fand, wenn auch ein Einfluss außerhalb
des Baseler Ordenshauses nicht festgestellt werden konnte.
Johannes Nider: Consolatorium timorate conscientie
Einer der für die Gewissenskultur des späten Mittelalters zentralen Texte ist
zweifellos das Trostbuch des geängstigten Gewissens des Dominikaner-Obser-
vanten Johannes Nider.94 Mit diesem Werk repräsentiert Nider eine neue geis-
tige Strömung, die Berndt Hamm als „Frömmigkeitstheologie“ bezeichnete.95
Johannes von Dambach (f 1372) und Jean Gerson sind nur zwei weitere pro-
minente Vertreter, die überdies auch Nider stark beeinflussten.96 Der Titel sei-
nes hier nur kurz im Hinblick auf die Einteilung der Gewissensarten zu behan-
delnden Werkes ist dabei gleichsam Programm jener „Frömmigkeitstheologie“,
die „reflektierend und anleitend ausschließlich der rechten Lebensgestaltung
92 Der Fuchs diente in diesem Zusammenhang als Sinnbild des Teufels, vgl. etwa im Repertori-
um morale des Petrus Berchorius (f 1362), der zur dom«s conscientiae vermerkt: Taxus
etiam valde diliget habitaculum mundum, et ideo, si vulpus suum habitaculum fedaverit,
nunquam ibidem amplius habitabit. Sic vere charissimi, Deus valde diliget conscientiam
mundam, et pur am ipsamque per gratiam suam faciliter subintrat et ibidem spiritualiter in-
habitat [...] Si autem a vulpe id est a diabolo maculata fueritperpeccatum, ipsam Deuspce-
nitus derelinquit [...]. pars 1, Sp. 349 a. Zum Zusammenhang vgl. meine Studie Das ,Haus des
Gewissens", S. 54f.
93 Zu ihm mit weiteren Hinweisen vgl. M. Burckhardt, Klassiker der Weltliteratur.
94 Zu Nider vgl. St. Nsnu, Johannes Nider, S. 7-43 und passim.
95 Vgl. hierzu v. a. die in: B. Hamm, Religiosität im späten Mittelalter, gesammelten Studien.
96 Vgl. S. Grosse, Heilsungewißheit.
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Die in diesem Abschnitt der Basler Handschrift kombinierten Fragmente re-
präsentieren ihrerseits drei Texte, die zu den am häufigsten überlieferten des
Mittelalters überhaupt zählen: Hugo Ripelins Compendium, der pseudo-
bernhardische Traktat De interiori domo sowie die ebenfalls Bernhard zuge-
schriebenen Meditationes piissime. Zentrales Thema dieser Auszüge sind - in
Fortsetzung des von Ludolf übernommenen Motivs der quadruplex conscien-
tia - wiederum Arten des Gewissens. Der unbekannte kartäusische Schreiber
gestaltete auf wenigen Seiten ein ganzes Panorama von möglichen Gewissens-
zuständen, bis hin zu jenem „füchsischen Gewissen“ („vulpina conscientia“),
das gleichsam einen Zustand der Unaufrichtigkeit bezeichnet.92 Zahlreiche
Marginalien von Hand des Priors Jacob Louber (f 1513), dem die Bibliothek
der Baseler Kartause ihre systematische Erweiterung verdankte,93 zeugen vom
Interesse, das diese Zusammenstellung fand, wenn auch ein Einfluss außerhalb
des Baseler Ordenshauses nicht festgestellt werden konnte.
Johannes Nider: Consolatorium timorate conscientie
Einer der für die Gewissenskultur des späten Mittelalters zentralen Texte ist
zweifellos das Trostbuch des geängstigten Gewissens des Dominikaner-Obser-
vanten Johannes Nider.94 Mit diesem Werk repräsentiert Nider eine neue geis-
tige Strömung, die Berndt Hamm als „Frömmigkeitstheologie“ bezeichnete.95
Johannes von Dambach (f 1372) und Jean Gerson sind nur zwei weitere pro-
minente Vertreter, die überdies auch Nider stark beeinflussten.96 Der Titel sei-
nes hier nur kurz im Hinblick auf die Einteilung der Gewissensarten zu behan-
delnden Werkes ist dabei gleichsam Programm jener „Frömmigkeitstheologie“,
die „reflektierend und anleitend ausschließlich der rechten Lebensgestaltung
92 Der Fuchs diente in diesem Zusammenhang als Sinnbild des Teufels, vgl. etwa im Repertori-
um morale des Petrus Berchorius (f 1362), der zur dom«s conscientiae vermerkt: Taxus
etiam valde diliget habitaculum mundum, et ideo, si vulpus suum habitaculum fedaverit,
nunquam ibidem amplius habitabit. Sic vere charissimi, Deus valde diliget conscientiam
mundam, et pur am ipsamque per gratiam suam faciliter subintrat et ibidem spiritualiter in-
habitat [...] Si autem a vulpe id est a diabolo maculata fueritperpeccatum, ipsam Deuspce-
nitus derelinquit [...]. pars 1, Sp. 349 a. Zum Zusammenhang vgl. meine Studie Das ,Haus des
Gewissens", S. 54f.
93 Zu ihm mit weiteren Hinweisen vgl. M. Burckhardt, Klassiker der Weltliteratur.
94 Zu Nider vgl. St. Nsnu, Johannes Nider, S. 7-43 und passim.
95 Vgl. hierzu v. a. die in: B. Hamm, Religiosität im späten Mittelalter, gesammelten Studien.
96 Vgl. S. Grosse, Heilsungewißheit.