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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0274
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6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

273

solches Ziel erreichen, ohne sich selbst zu erkennen.185 Der Mensch müsse in sein
Gewissen blicken, versicherte der Franziskaner seinem Publikum, um durch des-
sen Erforschung zu wissen, was er bekennen solle, weshalb er, Pelbärt, nun vom
Gewissen handeln wolle: von der Unterscheidung seiner mannigfachen Arten,
von seiner Erneuerung und schließlich von der Schwermut des schlechten sowie
der Zuversicht des guten Gewissens.186
Man wird die einleitende Bemerkung des Franziskaners weniger als Bezug-
nahme auf eine konkrete Forderung seitens ,der Kirche* deuten müssen, sondern
vielmehr als Ausdruck eines Bemühens um häufigeres Beichten, wie es im 14. und
15. Jahrhundert vor allem innerhalb der Orden artikuliert wurde.187 Die Beichte
sollte dabei nicht ausschließlich der Vorbereitung auf den Kommunionsempfang
dienen, sondern ihr wurde in zunehmendem Maße ein Eigenwert zugesprochen;
Gewissensprüfung durch Selbsterforschung galt jedoch in jedem Fall als zentrale
Voraussetzung für die Teilnahme an der eucharistischen Mahlgemeinschaft.
Große Sorgfalt sei daher, wie Pelbärt ausführte, zunächst auf die Unterschei-
dung des guten vom schlechten Gewissen zu legen, denn Bernhard sage im Buch
vom Gewissen, dass die conscientia dem Ruhelager der Seele vergleichbar sei, in
welchem der Mensch Ruhe erfahren oder seine Kreuzigung erleiden würde. Keine
Strafe sei nämlich schlimmer, so Pelbärt wieder unter Verweis auf ,Bernhard‘,
als ein schlechtes Gewissen, das den Menschen immerfort quälen werde.188
Der ausdrückliche Verweis auf einen Liber de conscientia legt zunächst den
Schluss nahe, dass es sich bei dieser Referenz entweder um De quattuor modis
conscientiarum oder aber den Traktat De interiori domo handelt, der (wie bereits
erwähnt) ebenfalls unter diesem Titel überliefert wurde.189 Anhand einer direk-
ten Konfrontation der Texte wird jedoch schnell deutlich, dass es sich bei der
zitierten Passage weder um einen Auszug aus dem einen, noch um einen aus dem
anderen Werk handeln kann. Zwar findet sich die Aussage, wonach keine Strafe
schlimmer sei als ein schlechtes Gewissen in De interiori domo und auch in jenen
185 „Nemo sine sua vera cognitione poterit hoc facere.“ Ebd.
186 „Vide tuam conscientiam ut noveris te et scias quid dicere habeas de teipso confitendo indig-
num peccatorem ut merearis Christum suscipere in conscientiam tuam [...] Itaque in hoc Ser-
mone de conscientia tria mysteria preter iam dicta in precedentibus declaranda proponemus.
Primum de conscientie discernende multiformi differentia. Secundum de conscientie reforman-
de regulari observantia. Tertium de conscientie male mesticia et bone fiducia.“ Ebd.
187 Vgl. Th. Tentler, Sin and Confession, S. 70-82; S. Grosse, Heilsungewißheit, S. 176f.
188 „Circa primum de discernenda differentia conscientiarum: qualis sit conscientia mala et qualis
bona iudicetur magna cautio est adhibenda, quia Bernardus, Über de conscientia dicit, quod
conscientia est sicut anime lectus in quo habet homo vel quietem vel cruciatum. [...] nam nulla
pena maior et gravior mala conscientia que semper remordebit perpetuo ut etiam idem Bernar-
dus ait.“ Pelbärt von Temesvär, Sermo IV, adv. III = Sermo XV.
189 Vgl. oben S. 81, Anm. 18.
 
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