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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0338
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Louis Bourdaloue: Sermons pour l’avent
Heute weitgehend vergessen, zählte der französische Jesuit Louis Bourdaloue
(f 1704) noch bis ins beginnende 20. Jahrhundert hinein zu den bekanntesten
Predigern seines Ordens.472 Bereits in jungen Jahren trat er der Gesellschaft Jesu
bei und lehrte nach Studien im Kolleg seiner Heimatstadt Bourges Rhetorik und
Moraltheologie unter anderem in Rouen. Zu seiner eigentlichen Berufung fand er
jedoch Ende der 60er Jahre des 17. Jahrhunderts als Prediger, zunächst in Rouen,
ob seiner Erfolge jedoch rasch in Paris, wo er schon bald zum Hofprediger Lud-
wigs XIV. (f 1715) avancierte.473
Innerhalb seines Zyklus von Adventspredigten - in welchem Jahr genau sie
gehalten wurden, bleibt unklar - griff Bourdaloue auch auf das Motiv der vier
Gewissensarten zurück, das er hier zeittypisch Bernhard von Clairvaux zu-
schrieb. Bourdaloue zählt zu jenen Predigern, die in hoher Frequenz nicht nur
auf die Bibel, sondern auch auf Werke der Kirchenväter zurückgriffen. Thema
seiner Predigt war, ausgehend von Io 1.22f., das „falsche Gewissen“ („fausse con-
science“). Auch der oben zitierte Dominikaner Johannes Herolt sowie der
Franziskaner Pelbärt von Temesvär hatten diese Perikope zum Anlass für eine
Adventspredigt über das Gewissen genommen.474
Was Johannes der Täufer seinen Zuhörern in der Wüste zugerufen habe: „Ma-
chet richtig den Weg des Herrn“, das würde er, Bourdaloue, am Hof rufen.475
Jeder, der ihn höre, solle einen Weg bereiten, auf dem Christus zu ihm gelangen
könne. Dieser Weg des Herrn aber sei das Gewissen - den rechten zu wählen und
zu bereiten Aufgabe des Christen.476 Das Gewissen sei der Weg, so Bourda-
472 Im Jahr 1902 wurde sogar eine eigene Zeitschrift gegründet, von der immerhin drei Bände er-
schienen: die Revue Bourdaloue. Bezeichnend für das abnehmende Interesse ist zum Beispiel
die auffällige und kontinuierliche Verkürzung der Bourdaloue gewidmeten Einträge in den
drei bisher erschienenen Auflagen des Lexikons für Theologie und Kirche.
473 Zur Biographie vgl. A. De Bil, „Bordaloue (Louis)“, Sp. 143f. sowie jüngst und ausführlich
S. Hasquenoph, Louis Bourdaloue. Vgl. auch die Einordnung in die Predigttradition der Zeit
bei J. B. Schneyer, Geschichte der katholischen Predigt, S. 262-5. Zu den Umständen seiner
Berufung zum Hofprediger vgl. R. Po-chia Hsia, Two Types of Politics, S. 258f.
474 Vgl. oben S. 54 sowie S. 272.
475 „Preparez la voie du Seigneur“, L. Bourdaloue, Sermonpour le troisieme dimanche de l’avent,
S. 144; Ders., Adventspredigten, 4. Predigt, S. 129. Ich zitiere hier und im Folgenden die 1760
in Prag erschienene deutsche Übersetzung. Diese bietet, wie andere zeitgenössische auch, einen
besseren Text als jene im 3. Band der 1848 erschienen Sämtlichen Werke. Zur französischen
Originalfassung vgl. die Ausführungen von R. Lindemann, Der Begriff der conscience, S. 91-5.
476 „Ces voies du Seigneur que nous devons preparer, ce sont nos consciences. Ces voies droites
que nous devons suivre pour nous mettre en etat de recevoir Jesus-Christ, ce sont nos consci-
ences reglees selon la loi de Dieu. Ces voies obliques que nous sommes obliges de redresser, ce
sont nos consciences perverties et corrompues par les fausses maximes du monde. Cette voie
trompeuse dont les issues aboutissent ä la mort, c’est la conscience aveugle et erronee que se fait
 
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