Metadaten

Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0058
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
54 I Volker Leppin

1. Der Anfang des theoretischen Armutsstreits
Der franziskanische Armutsstreit hatte seinen Ausgang im Grenzmilieu zwi-
schen Franziskanern und Devianten außerhalb des Ordens genommen: Im Jahr
1321 hatten der Erzbischof von Narbonne Bernard de Fargis sowie der domini-
kanische Inquisitor Johannes von Belna einen Begarden (begumus^ neben ande-
rem unter dem Vorwurf festgenommen, er lehre, quod Christus et apostoli, vtam
perfectionis sequentes, nihil habuerunt iure propnetatis et dominu in speciah nee
etiam in commimd, also eine umfassende, einzelne wie gemeinschaftliche Ei-
gentumslosigkeit Jesu und der Apostel. Zur Verurteilung des Begarden berief
Johannes von Belna ein Konzil der Ordensprioren, -guardiane und -lektoren
sowie anderer gelehrter Männer ein3 4 5 - eine Maßnahme, die schon in ihrer Zu-
sammensetzung vermuten lässt, dass der Inquisitor darauf abzielte, die Reihen
der Mendikanten gegen diese Armutsauffassung zu schließen - oder aber auch
Differenzen zwischen den unterschiedlichen Mendikanten offenzulegen. Eben
dies jedenfalls trat ein: Der Lektor des Franziskanerkonvents in Narbonne,
Berengar Talon, weigerte sich, die Behauptung des Begarden von der radikalen
Eigentumslosigkeit des Jüngerkreises zu verurteilen, und erklärte vielmehr, diese
3 Der Begriff beguinus hat im hier vorliegenden Zusammenhang eine andere Bedeutung als den
der Semireligiosität, auch wenn möglicherweise zu den Problemen des avignonesischen
Papsttums und seines Vorfeldes gehörte, dass die Begriffe ineinander glitten: Für den süd-
französischen Raum meint man hiermit die spiritualistisch gesonnenen Anhänger Petrus
Johannis Ohvis (s. hierzu Volker Leppin, Geglaubte Wahrheit. Das Theologieverständnis
Wilhelms von Ockham [Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 631, Göttingen
1995, S. 127, Anm. 99).
4 Nicolaus Minorita, Chronica. Documentation on Pope John XXII, Michael of Cesena and
The Poverty of Christ with Summaries in English. A Source Book, hg. von Gedeon Gäl/
David Flood, St. Bonaventure 1996, S. 62; vgl. (leicht abweichend) Bullarium Franciscanum,
sive, Romanorum pontificum constitutiones, epistolae, diplomata tribus ordinibus mino-
rum, Clarissarum, Poenitentium a seraphico patriarcha sancto Francisco institutis [...], Be-
nedikt XL, Clemens V., Johannes XXII., hg. v. Konrad Rubel, Rom 1898, Bd. 5, S. 224,
Anm. 1; zu der Nicolaus Minorita zugeschriebenen Chronik, der wir diese Informationen
verdanken s. Patrick Nold, Pope John XXII and his Franciscan Cardinal. Bertrand de la
Tour and the Apostolic poverty Controversy, Oxford 2003, S. 1-24, der allerdings den Quel-
lenwert am Ende fast gegen Null tendieren lässt und so seinerseits zu einer einseitig gegen die
Franziskaner gerichteten Deutung gelangt (s. kritisch hierzu: Jürgen Miethke, Papst Johan-
nes XXII. und der Armutsstreit, in: Angelo Clareno Francescano. Atti del XXXIV convegno
internazionale, Assisi, 5-7 ottobre 2006, Spoleto 2007, S. 263-313, S. 294f.); Heike Johanna
Mierau, Die sog. „chronica n. minorita“: Rezeptionswege und das sich wandelnde Bild von
Johannes XXII., in: Hans-Joachim ScHMiDT/Martin Rohde (Hgg.), Papst Johannes XXII.
Konzepte und Verfahren seines Pontifikats (Scrinium Fnburgense 32), Berlin/New York
2014,8.427-465.
5 Nicolaus Minorita, Chronica (wie Anm. 4), S. 62; vgl. Bullarium Franciscanum (wie Anm. 4),
Bd. 5, Sp. 224, Anm. 1.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften