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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0077
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Das urkirchliche Ideal der Franziskaner als Maßstab der Kirche I 73

er nun auf die urständliche Situation geringere Sorgfalt, da es ihm vor allem um
die Frage ging, ob es ein dominium proprium im Sinne eines Gegenübers zu den
anderen Menschen gegeben habe. Dies aber verneinte er: Das dominium Adams
war in statu innocentiae nicht sein eigenes, sondern er hatte es für seine Frau und
seine Nachkommen inne117. Zu einer Aufspaltung des dominium als Herrschaft
kam es dann, wie im Falle des als Eigentum verstandenen dominium erst durch
den Fall. Allerdings folgt Ockham hier nicht ganz parallel seiner Eigentumsthe-
orie: Hatte er das Eigentum ausschließlich aus menschlichem positivem Recht
begründet, so begründete er die Herrschaft des Mannes über die Frau mit Gen
3,16, dem Fluch über Eva118, und die des Vaters über seine Kinder mit Eph 6,4119 120.
Diese biblische Begründung verstand er im Sinne einer Verbindung aus ius divi-
num und ius naturale™. Dieses gilt aber nur für die Verwandtschaftsbeziehun-
gen: Ausdrücklich erklärt Ockham, dass solche Herrschaftsformen, die sich
über andere Menschen als Frau und Kinder erstrecken, non [...] ex iure divino
seu naturali, sed ex iure humano hervorgehen121.
Diese Orientierung am iushumanum wiederum betrifft konkret nur die Weise
der Ausgestaltung menschlicher Herrschaft - und hier kehrt Ockhams Gedan-
kengang wieder völlig in die Parallele zu seiner Theologie des Eigentums zurück.
Die aus der Urgeschichte abgeleitete, auf göttlichem Recht beruhendepotestas ap-
propriandi nach dem Fall nämlich ergänzte Ockham um eine weitere Dimension:
die potestas [...] instituendi rectores lurisdictionem habentes, die als Folge des Falls
grundsätzlich für alle Menschen, nicht nur für Christen gilt122 123. Die biblische Be-
gründung hierfür gewann er aus dem Sirachbuch: Nach Sir 17,3 gab Gott dem
Menschen nach der Schöpfung die potestas eorum quae sunt super terram™. Da-
mit war also die innerfamiliäre Herrschaft wie auch das Faktum der Herrschaft
als postlapsarische Sicherung der Menschheit ein gottgegebenes Recht, und zwar,
wie Ockham an der entsprechenden Stelle betonte, immediate von Gott gege-
ben124 - damit war die eigentliche Spitze seiner Argumentation im Sinne Ludwigs
117 Ockham, Breviloquium 111,15,55-58 (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 191).
118 Ockham, Breviloquium (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 184).
119 Ockham, Breviloquium III,ll,16f. (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 184).
120 Ockham, Breviloquium 111,11,14 (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 184).
121 Ockham, Breviloquium III,ll,19f. (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 184).
122 Ockham, Breviloquium 111,8,1-3 (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 180): Du-
plex potestas praedicta, scilicet appropriandi res temporales et instituendi rectores iurisdictio-
nem habentes, data est a Deo immediate non tantum fidelibus, sed etiam infidelibus', vgl. auch
die Formulierung in Ockham, Dialogus p. 3 tr. 2 l. 1 c. 26: talis est potestas imperialis, quae
est a Deo, sedper homines (Monarchia [wie Anm. 81], S. 899, 14f.).
123 S. Ockham, Breviloquium 111,7,48-51 (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 179).
Auch diese Autorität begegnete schon im Armutsstreit; vgl. Ockham, Opus nonaginta die-
rum c. 27,197-203 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50], S. 490f.).
124 Ockham, Breviloquium 111,8,2 (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 180).
 
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