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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0091
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Autorität und Strahlkraft I 87

regel eine Sakralität, die in letzter Konsequenz in Würde und Alter sogar über
der des Evangeliums steht.
Auch er bringt die auctontas regulae in mittlerweile erwartbarer Verbindung
mit den oben bereits angerissenen Nahrungs- und Kleidungvorschriften. Auf
letztere sei sich hier beschränkt. Wie es die Regel erfordere, erläutert der Kom-
mentator, bedürfe es auf Erden keiner Extravaganz in Form und Farbe der
Kleidung, schließlich sei der himmlische Palast mit all seinen Edelsteinen schon
bunt und prächtig genug.27 Dass es sich bei einer solchen Bemerkung um eine
Reminiszenz der langwierigen Auseinandersetzungen um das Mönchskleid
handelt, die Zisterzienser und traditionelle Benediktiner führten, mag nahelie-
gen.28 Die zisterziensische Einfachheit (simplicitas) jedenfalls avanciert in die-
sem Text immer wieder zur himmlischen Kategorie. Das eigentlich Spannende
für unsere Frage aber liegt woanders: Der Autor schreibt nämlich weiter, dass
die himmlischen Kleider niemals alterten, sie seien ewig und blieben auch in
ihrer Größe immer identisch. Bereits die ersten Mönche, die Engel, hätten sie
getragen - regelkonform.29 30 Wenn die Engel aber, wie man im Mittelalter zu
wissen glaubte, von Gott gemeinsam mit dem Licht geschaffen wurden, hieße
dies nichts anderes, als dass auch die Regel mindestens auf die Zeit des Sechs-
tagewerks zurückginge.
An anderer Stelle hört man, dass den guten Engeln und Mönchen diejenigen
gegenüberstünden, die von der einen Regel des himmlisch-irdischen Misch-
konvents abgefallen sind. Lucifer etwa sei der erste Klosterflüchtling, ein Gyro-
vage, gewesen und der älteste Gegner der Regel (contrarius regule).iQ Diese Aus-
sage ist nicht minder beachtenswert, billigt doch auch sie der Benediktsregel ein
Alter zu, das mindestens mit dem Engelssturz, mithin erneut bei der Schöp-
fung der Welt einsetzt. Wie aber kann die Benediktsregel noch vor Benedikt
verfasst worden sein?
27 Vgl. u. a. die Sermones in Re gut am s. Benedicti (wie Anm. 23), LV, S. 585f.
28 Die große Zeit der Auseinandersetzung namentlich zwischen den traditionellen Benedikti-
nern und den Zisterziensern war um 1200 freilich vorüber. Die jenen fundamentalen Kon-
flikt um das Mönchskleid thematisierenden Studien sind mittlerweile kaum noch überschau-
bar. Dazu immer noch grundlegend (wenn auch tendenziös) Kassius Hallinger,
Gorze - Kluny. Studien zu den monastischen Lebensformen und Gegensätzen im Hochmit-
telalter (Studia Anselmiana 23), 2 Bde., Rom 1950, Bd. 2, S. 661-734; dazu auch knapp Jörg
Sonntag, Wenn Engel streiten. Das Mönchskleid im literarischen Brennpunkt der monasti-
schen Reformkonflikte des Hochmittelalters, in: Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschich-
te 66, Heft 1, 2016, S. 75-92.
29 Vgl. u. a. die Sermones in Regulam s. Benedicti (wie Anm. 23), LV, S. 585-587.
30 Vgl. u. a. ebd., XXIII, S. 322: An non Uleprimus contumax, primus inobediens, primus super-
bus, primus murmttrans, primus sancte ei quam nunc servant angeli regule contrarius est in-
ventus, denique suorum contemptor seniorum?
 
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