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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0103
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Die Macht formaler Verfahren I 99

aber kam es an, damit das organisatorische System überhaupt funktionierte. Sie
gewährleisteten, dass in den komplexen Gefügen schier unzähliger kleinster Ge-
schehenseinheiten die Stabilität eines Ordens im Spiel unterschiedlicher Interes-
senslagen der Mitglieder erhalten sowie legislative oder judikative Geltungs-
ansprüche der Leitungsorgane durchgesetzt, situative Devianzen korrigiert,
äußere Störungen abgefedert, neue Anforderungen integriert oder auch bereits
vorhandene organisatorische Faktoren verbessert werden konnten. Nachhaltig-
keit normativer Geltung ließ sich nur durch eine solche kontinuierliche Siche-
rung der Ordnung erreichen, welche eine permanente „Rationalisierung der
Lebensführung“6 erforderte - näherhin also Leistungen, die wie ihr normativer
Rahmen selbst Wirkung nur erzielten durch objektivierbare Gleichförmigkeit
und Regelgebundenheit aller aus ihnen hervorgehender Aktionen. Schriftlichen
Niederschlag fanden diese Steuerungsaktivitäten in Form von Protokollen der
Generalkapitel,7 von Visitationsberichten8 sowie von Zeugnissen der Rechts-
interpretation wie Regelkommentare9 oder der Rechtsfortschreibung wie Statu-
tenredaktionen, -novellierungen und -Sammlungen.10 Jahr für Jahr produzierten
die Generalkapitel der Orden Entscheidungen (definitiones) bzw. verfassten die
Visitatoren Protokolle, die in beiden Fällen ebenfalls jahresweise unter sorgfäl-
tiger Sicherung ihrer textlichen Authentizität gesammelt und tradiert wurden
und heute noch (trotz beträchtlicher Verluste in manchen Orden) in zehntausen-
den Einzelnotierungen erhalten sind.
Diese serielle Überlieferung11 ermöglicht uns heute, tatsächlich - einge-
schränkt allein durch die konkrete Überlieferungslage - jenes Kontinuum von
rationalen Leistungen nachzuzeichnen, das für die systemische Stabilität der
Orden in zentraler Weise erforderlich gewesen war. Eine entsprechende Unter-
suchung eröffnet allerdings innerhalb der mittelalterlichen Ordensorganisation
S. 44-57; zur anders gelagerten Epoche vor den Ordensbildungen vgl. Steven Vanderput-
ten, Monastic Reform as Process. Realities and Representations in Medieval Flanders, 900-
1100, Ithaca/London 2013.
6 Weber, Wirtschaft (wie Anm. 4), S. 697.
7 Vgl. dazu Florent Cygler, Das Generalkapitel im hohen Mittelalter. Cisterzienser, Prä-
monstratenser, Kartäuser und Cluniazenser (Vita regularis 12), Münster 2002.
8 Siehe Jörg Oberste, Die Dokumente der klösterlichen Visitationen (Typologie des sources
du Moyen Age Occidental 80), Turnhout 1999.
9 Siehe jüngst die Edition eines herausragenden Kommentars vom Beginn des 13. Jahrhun-
derts: Sermones in Regulam s. Benedicti. Ein zisterziensischer Regelkommentar aus Ponti-
gny, hg. von Jörg Sonntag (Vita regularis, Editionen 6), Berlin 2016.
10 Vgl. Andenna/Melville, Regulae — Consuetudines — Statuta (wie Anm. 2).
11 Serielle Quellen sind bislang ganz allgemein noch nicht in dem Maße analysiert worden, was
allein ihre Serialität als solche an historischer Aussagebreite bereithält; siehe aber schon me-
thodisch aufschlussreich Christina KEiTEL/Regina Keyler (Hgg.), Serielle Quellen in süd-
westdeutschen Archiven, Stuttgart 2005.
 
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