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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0115
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Die Macht formaler Verfahren I 111

zumindest zu brechen drohte. Der Fall war dies dann, wenn etwa gravierende
endogene Missstände mit exogenen Störungen zusammentrafen. Dazu zwei
Beispiele, die dem Cluniazenserorden beträchtliche Probleme bereiteten.
1212 berichteten die Visitatoren von finanziellen Unregelmäßigkeiten im
Großpriorat La Charite-sur-Loire.45 Im April des gleichen Jahres bestellte das
Generalkapitel den sträflicherweise fehlenden Prior ein, der jedoch nicht er-
schien. Der Abt von Cluny begab sich daraufhin sogleich persönlich nach La
Charite, an dessen Betreten er allerdings gewaltsam gehindert wurde. Dieser
rebellische Akt fand eine energische Unterstützung durch Herve IV., Graf von
Nevers und „Gardeur“46 des Klosters. Die Folge wiederum war, dass der Abt
von Cluny die Beteiligten exkommunizierte, das Kloster mit dem Interdikt
belegte und den Prior absetzte. Prior und Konvent wiesen dies zurück.47 Der
Abt von Cluny ließ nicht locker. Es gelang ihm, umgehend den Bischof von
Genf und den Erzdiakon von Reims hinzuzuziehen. Dann begab er sich mit
diesen sowie mit dem Generalkapitel erneut nach La Charite. Letzteres setzte
einen neuen Prior ein, und Bischof sowie Erzdiakon wandten sich schriftlich
mit Schilderung der Sachlage an den Papst.48 Dieser wiederum beauftragte im
Juni des gleichen Jahres drei Prälaten (die Bischöfe von Troyes und Meaux, und
den Abt von Catignac), die weitere Nachforschungen betreiben sollten. Sie be-
stellten demgemäß die Parteien ein - wobei dann allerdings keine Vertreter von
La Charite erschienen - und bestätigten die Einsetzung eines neuen Priors
durch das Generalkapitel. Damit konnten sie sich jedoch nicht durchsetzen, da
nach wie vor der Graf von Nevers den rebellischen Prior unterstützte. Darauf-
hin wandten sie sich an König Philipp II. Augustus von Frankreich mit der
Bitte, er solle den Grafen dazu bewegen die Seite zu wechseln und die Position
Clunys in Form von Strafmaßnahmen gegen die Rebellen durchsetzen. Der
Graf folgte diesem Ansinnen widerwillig und scheiterte, da die Mönche von
La Charite unbeugsam blieben.49 Nun setzte der Papst eine andere Kommis-
sion ein, nämlich drei nicht-cluniazensische Äbte, welche die Abhängigkeit
45 Siehe auch Florent Cygler, L’ordre de Cluny et les «rebelliones» au XHIe siede, in: Francia
19,1 (1992), S. 61-94, hier S. 79-81.
46 Vgl. zu den Rechten und Pflichten eines „Gardeurs“ Noel Didier, La garde des eglises au
XHIe siede, Paris 1927.
47 Dieser Ablauf wird in der Bulle des Papstes Innozenz III. zur Untersuchung des Falles aus-
führlich beschrieben. So soll der Prior Gottfried Templergeld genommen und Klosterbesitz
verschleudert haben. Zudem schaltete er den Grafen Herve IV. von Nevers ein, welcher ihn
unterstützte sowie mit Waffen versorgte. Vgl. Recueil des chartes de 1‘abbaye de Cluny, ed.
Auguste BERNARD/Alexandre Bruel, 6 Bde., Paris 1876-1904, Bd. 6, Nr. 4462.
48 Vgl. ebd., Nr. 4461.
49 Vgl. ebd., Nr. 4462. Siehe dazu auch die Ausführungen Cygler, L’ordre (wie Anm. 45), S. 79.
 
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