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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0117
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Die Macht formaler Verfahren I 113

König wandte. Gleichsam eine Verfahrensironie war es, dass diese Kompe-
tenzverletzung gerade zum Einlenken des so wirkungsvollen Grafen von Ne-
vers führte. Das kirchliche Verfahren nahm indes nahezu ungestört seinen
weiteren Verlauf bis zur Anerkennung der Rechte Clunys. Keine ordensin-
terne Routine mehr, aber dennoch ein Schritt des formalen Verfahrens, durch
den es letztlich gelang, die Komplexität des Falles auf klare Entscheidungs-
lagen zurückzuführen und damit die volle Wirkmacht des Verfahrens ausspie-
len ließ. Und das eben auch dann, wenn die Entscheidungslage ergab, dass die
eigene Verfahrensautonomie aufgegeben und das Ordensverfahren durch ein
externes Kirchenverfahren gestützt werden musste. Tatbestandserhebung,
-prüfung und Entscheidung verblieben im Orden, der letztendliche Vollzug
erfolgte durch die Einschaltung mächtiger, ursprünglich unbeteiligter Dritter,
hier im Sinne eines Rechtsgutachtens seitens der durch den Papst eingesetzten
Kommission. Das Verfahren wurde durch diesen Schritt jedoch zurück in die
eigene Autonomie gebracht, wie die Festschreibung der Abhängigkeit La Cha-
rites durch das Generalkapitel mit Verweis auf das allgemeine Gehorsamsrecht
aller Priorate untermauert.
Nicht weniger herausfordernd und mit einem Verlauf über zehn Jahre hin-
weg zeitlich herausragend, zog sich das Verfahren um das in der Auvergne ge-
legene Haus Mozac hin, welches im Jahr 1259 mit einem mangelhaften Ent-
schuldigungsschreiben des amtierenden Abtes seinen Anfang nahm.55 Ein
Schema des Verfahrensverlaufes am Ende des Beitrages verdeutlicht die ver-
schiedenen Akteure und Verfahrensschritte (Abb. 2). Das cluniazensische Ge-
neralkapitel verwarnte den Abt Petrus (d‘Yserpans) aufgrund der fehlenden
aber üblichen Gehorsamsformel (oboedientia), weitere Maßnahmen blieben
jedoch aus. In den Jahren 1261 und 126356 erschien der Abt erneut nicht auf der
Vollversammlung und im Zuge der persönlichen Visitation der Auvergne 1264
durch den Abt von Cluny wurden eklatante Missstände notorisch.57 Obwohl
es zu Verfahrensfehlern während der Visitation gekommen war,58 wurde dem
Haus im Zuge einer erneuten Visitation im November des gleichen Jahres ein
strenger Reformkatalog auferlegt, der besonders die schlechte Amtsführung
55 Dieser Fall wurde programmatisch bereits bei Melville, Verfahren (wie Anm. 1), S. 38-40
dargestellt, da er symptomatisch für Auseinandersetzungen dieser Art gewesen war. Siehe
weiterhin Ders., Exhortatiunculae (wie Anm. 22), S. 216-218 sowie Cygler, L’ordre (wie
Anm. 45), S. 85-87.
56 Vgl. Charvin, Statuts (wie Anm. 37), S. 258f. sowie S. 278.
57 Vgl. ebd., S. 279f.
58 Qzaü visitatores apud Mauziacum non observaverunt modum procedendi in faciendo statuta
et diffinitiones, quod secundum formam visitationis facere non poterant nec debebant, quod
ita ab eis minus legitime factum est, diffiniendo penitus revocamus. Ebd., S. 286.
 
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