Die Macht formaler Verfahren I 115
zusammen mit dem Abt von Cluny nach Mozac, um eine Visitation durchzu-
führen und die Korrekturen durchzusetzen.64 Jetzt eskalierte die Situation
gänzlich, und das Verfahren brach vollends zusammen, denn gegen diesen Ver-
fahrensschritt wehrte sich Petrus heftig, indem er das Kloster verbarrikadierte
und der entsandten Delegation den Zutritt durch Bewaffnete, Mönche und
Kleriker verwehrte. Durch den Einsatz von Gewalt verließ Petrus den Rah-
men einer ordensinternen, verfahrenstechnischen Bewältigung endgültig. Es
folgte die umgehende Exkommunikation aller Rebellen und der Papst verwies
den Fall nun an eine höhere Kircheninstanz, nämlich an den Bischof von Le
Puy.65 Dieser Schritt führte nach dreijährigem Prozess mit erneuter Exkom-
munikation und Amtsenthebung im Jahr 1269 zu einer Unterwerfung und
dem Amtsverzicht des Petrus sowie zur Wahl eines neuen Abtes von Mozac
(Petrus de Firmitate Chauderonis).66
Auch in diesem Fall wurden durch endogene und exogene Faktoren die
cluniazensischen Systemgrenzen überschritten. Weder das Generalkapitel
noch der beauftragte Abt Yvo I. von Cluny waren im Stande, den rebellischen
und zur Sezession gewillten Abt Petrus sowie die mit ihm verbündeten Grup-
pen in ihre Schranken zu weisen. Versuche, die mangelhafte Disziplin und
schlechte Amtsführung durch eine umfassende Reform zu korrigieren, schlu-
gen fehl. Die Verfahrensfestigkeit löste sich beim Vollzugsversuch am Wider-
stand des Klostervorstehers graduell auf. Wie stark die abbatiale Missachtung
die übliche Verfahrensweise bereits dezimiert hatte, zeigt sich an der persönli-
chen Anwesenheit der reformbefürwortenden Mönchsgruppe auf dem Gene-
ralkapitel, denn üblicherweise sollten Beanstandungen dem jährlichen Visita-
tor mitgeteilt werden.67 Aufgrund der Erfahrungen mit Petrus war dieser
Schritt jedoch die einzig verbliebene Möglichkeit, da er sich offensiv der Re-
chenschaftspflicht gegenüber höheren Instanzen zu entziehen suchte.68 Dessen
ungeachtet verblieb der Fall bis dahin innerhalb der eigenen Verfahrensauto-
nomie, zwar durch die verschiedenen Parteien und Bedürfnislagen komplexi-
siert, aber noch im Handlungsraum der ordensinternen Abläufe. Durch die
Delegation an den Abt von Cluny mit dem Auftrag die Reformen durchzuset-
zen, agierte das Generalkapitel ein weiteres Mal mit einer durchaus üblichen
65 Vgl. ebd., Nr. 5123.
66 Vgl. zum Prozess gegen Petrus ebd., Nr. 5124-5126, 5134, 5140, 5144, zur Unterwerfung und
Amtsniederlegung ebd., Nr. 5146 und zur Wahl des neuen Abtes Nr. 5147.
67 Während der Visitation selbst war die versammelte Gemeinschaft aufgefordert, Denunziati-
onen, Beschuldigungen, Verdächtigungen sowie interne Streitigkeiten vorzubringen. Vgl.
Oberste, Visitation (wie Anm. 20), S. 305.
68 Vgl. Melville, Exhortatiunculae (wie Anm. 22), S. 218.
zusammen mit dem Abt von Cluny nach Mozac, um eine Visitation durchzu-
führen und die Korrekturen durchzusetzen.64 Jetzt eskalierte die Situation
gänzlich, und das Verfahren brach vollends zusammen, denn gegen diesen Ver-
fahrensschritt wehrte sich Petrus heftig, indem er das Kloster verbarrikadierte
und der entsandten Delegation den Zutritt durch Bewaffnete, Mönche und
Kleriker verwehrte. Durch den Einsatz von Gewalt verließ Petrus den Rah-
men einer ordensinternen, verfahrenstechnischen Bewältigung endgültig. Es
folgte die umgehende Exkommunikation aller Rebellen und der Papst verwies
den Fall nun an eine höhere Kircheninstanz, nämlich an den Bischof von Le
Puy.65 Dieser Schritt führte nach dreijährigem Prozess mit erneuter Exkom-
munikation und Amtsenthebung im Jahr 1269 zu einer Unterwerfung und
dem Amtsverzicht des Petrus sowie zur Wahl eines neuen Abtes von Mozac
(Petrus de Firmitate Chauderonis).66
Auch in diesem Fall wurden durch endogene und exogene Faktoren die
cluniazensischen Systemgrenzen überschritten. Weder das Generalkapitel
noch der beauftragte Abt Yvo I. von Cluny waren im Stande, den rebellischen
und zur Sezession gewillten Abt Petrus sowie die mit ihm verbündeten Grup-
pen in ihre Schranken zu weisen. Versuche, die mangelhafte Disziplin und
schlechte Amtsführung durch eine umfassende Reform zu korrigieren, schlu-
gen fehl. Die Verfahrensfestigkeit löste sich beim Vollzugsversuch am Wider-
stand des Klostervorstehers graduell auf. Wie stark die abbatiale Missachtung
die übliche Verfahrensweise bereits dezimiert hatte, zeigt sich an der persönli-
chen Anwesenheit der reformbefürwortenden Mönchsgruppe auf dem Gene-
ralkapitel, denn üblicherweise sollten Beanstandungen dem jährlichen Visita-
tor mitgeteilt werden.67 Aufgrund der Erfahrungen mit Petrus war dieser
Schritt jedoch die einzig verbliebene Möglichkeit, da er sich offensiv der Re-
chenschaftspflicht gegenüber höheren Instanzen zu entziehen suchte.68 Dessen
ungeachtet verblieb der Fall bis dahin innerhalb der eigenen Verfahrensauto-
nomie, zwar durch die verschiedenen Parteien und Bedürfnislagen komplexi-
siert, aber noch im Handlungsraum der ordensinternen Abläufe. Durch die
Delegation an den Abt von Cluny mit dem Auftrag die Reformen durchzuset-
zen, agierte das Generalkapitel ein weiteres Mal mit einer durchaus üblichen
65 Vgl. ebd., Nr. 5123.
66 Vgl. zum Prozess gegen Petrus ebd., Nr. 5124-5126, 5134, 5140, 5144, zur Unterwerfung und
Amtsniederlegung ebd., Nr. 5146 und zur Wahl des neuen Abtes Nr. 5147.
67 Während der Visitation selbst war die versammelte Gemeinschaft aufgefordert, Denunziati-
onen, Beschuldigungen, Verdächtigungen sowie interne Streitigkeiten vorzubringen. Vgl.
Oberste, Visitation (wie Anm. 20), S. 305.
68 Vgl. Melville, Exhortatiunculae (wie Anm. 22), S. 218.