152 I Martin Kintzinger
Analog ist 1996 von Andreas Beriger der seither vielfach genutzte Begriff des
„monastischen Privatgelehrten“ geprägt worden, eine Contradictio in adiecto, um
Angehörige geistlicher Gemeinschaften, Mönche wie Kanoniker gleichermaßen,
zu kennzeichnen, die im frühen 16. Jahrhundert eine persönliche, fiktive Selbst-
stilisierung als Autoren inszenierten.16 Als „scholastisches Wissen“ soll daher im
Folgenden die am weitesten entwickelte Form gelehrten Wissens in einer Zeit be-
zeichnet sein, die in geistlichen Gemeinschaften generiert und von ihren Trägern,
monastischen Gelehrten, nach außen getragen, dort nachgefragt wird und Wir-
kung entfaltet. Dass die monastische Ortsfestigkeit gerade im Kontext der Wis-
sensgeschichte der Klöster seit dem frühen Mittelalter keinesfalls als Relativie-
rung, geschweige denn Ausschluss von Mobilität, Kommunikation und Transfer
verstanden werden darf, ist bekannt.17 18 Die Fragestellung nach dem Innovations-
potential einer als Laboratorium verstandenen Klosterkultur könnte als Analyse-
instrument dazu beitragen, den wissensgeschichtlich längst infrage gestellten Ge-
gensatz zwischen Monastik und Scholastik in neuen Kontexten zu relativieren.17
3. Gelehrte zwischen Kloster und Welt.
Soziabilität und Individuation
Unter dem Titel „Kulturen und Wissen der Ökonomie (17. bis 20. Jahrhundert)“
hat das Deutsche Historische Institut in Paris 2016 eine Sommerschule veran-
16 Im Zentrum der Darstellung stehen zurückgezogen schreibende Ordensmänner von Re-
formkongregationen der frühen Reformationszeit, die ohne tatsächliche höhere Bildung und
gelehrte Kontakte, mit behaupteter Gelehrsamkeit und fiktiven Briefkorrespondenzen die
Memoria eines Gelehrten für sich beanspruchen wollten: Andreas Beriger, Der Typus des
„Monastischen Privatgelehrten“, in: Rainer Christoph Schwinges (Hg.), Gelehrte im Reich.
Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts (Zeit-
schrift für Historische Forschung, Beiheft 18), Berlin 1996, S. 375-410; zur Definition:
„,Monastisch£ verstehe ich hier als Überbegriff, der sowohl die Mönchs- als auch Chorher-
renorden umfaßte [sic!]“, [ebd., S. 376, Anm. 2]; vgl. Harald Müller, Habit und Habitus:
Mönche und Humanisten im Dialog (Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 32), Göt-
tingen 2006, S. 227f., 364; Regine Schweers, Albrecht von Bonstetten und die vorländische
Historiographie zwischen Burgunder- und Schwabenkriegen (Studien und Texte zum Mit-
telalter und zur frühen Neuzeit 6), Münster/New York 2005, S. 74f.; Gabriele Janke, Gelehr-
tenkultur - Orte und Praktiken am Beispiel der Gastfreundschaft. Eine Fallstudie zu Abra-
ham Scultetus (1566-1624), in: Barbara KRUG-RiCHTER/Ruth-E. Mohrmann (Hgg.),
Frühneuzeitliche Universitätskulturen. Kulturhistorische Perspektiven auf die Hochschulen
in Europa, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 285-311, hier S. 285, Anm. 1.
17 Kintzinger, Monastische Kultur (wie Anm. 3), S. 34.
18 Ebd., S. 15-47, bes. S. 45f.; vgl. Sita Steckel, Kulturen des Lehrens im Früh- und Hochmit-
telalter. Autorität, Wissenskonzepte und Netzwerke von Gelehrten (Norm und Struktur 39),
Köln/Weimar/Wien 2011, S. 1177-1185 u.ö.
Analog ist 1996 von Andreas Beriger der seither vielfach genutzte Begriff des
„monastischen Privatgelehrten“ geprägt worden, eine Contradictio in adiecto, um
Angehörige geistlicher Gemeinschaften, Mönche wie Kanoniker gleichermaßen,
zu kennzeichnen, die im frühen 16. Jahrhundert eine persönliche, fiktive Selbst-
stilisierung als Autoren inszenierten.16 Als „scholastisches Wissen“ soll daher im
Folgenden die am weitesten entwickelte Form gelehrten Wissens in einer Zeit be-
zeichnet sein, die in geistlichen Gemeinschaften generiert und von ihren Trägern,
monastischen Gelehrten, nach außen getragen, dort nachgefragt wird und Wir-
kung entfaltet. Dass die monastische Ortsfestigkeit gerade im Kontext der Wis-
sensgeschichte der Klöster seit dem frühen Mittelalter keinesfalls als Relativie-
rung, geschweige denn Ausschluss von Mobilität, Kommunikation und Transfer
verstanden werden darf, ist bekannt.17 18 Die Fragestellung nach dem Innovations-
potential einer als Laboratorium verstandenen Klosterkultur könnte als Analyse-
instrument dazu beitragen, den wissensgeschichtlich längst infrage gestellten Ge-
gensatz zwischen Monastik und Scholastik in neuen Kontexten zu relativieren.17
3. Gelehrte zwischen Kloster und Welt.
Soziabilität und Individuation
Unter dem Titel „Kulturen und Wissen der Ökonomie (17. bis 20. Jahrhundert)“
hat das Deutsche Historische Institut in Paris 2016 eine Sommerschule veran-
16 Im Zentrum der Darstellung stehen zurückgezogen schreibende Ordensmänner von Re-
formkongregationen der frühen Reformationszeit, die ohne tatsächliche höhere Bildung und
gelehrte Kontakte, mit behaupteter Gelehrsamkeit und fiktiven Briefkorrespondenzen die
Memoria eines Gelehrten für sich beanspruchen wollten: Andreas Beriger, Der Typus des
„Monastischen Privatgelehrten“, in: Rainer Christoph Schwinges (Hg.), Gelehrte im Reich.
Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts (Zeit-
schrift für Historische Forschung, Beiheft 18), Berlin 1996, S. 375-410; zur Definition:
„,Monastisch£ verstehe ich hier als Überbegriff, der sowohl die Mönchs- als auch Chorher-
renorden umfaßte [sic!]“, [ebd., S. 376, Anm. 2]; vgl. Harald Müller, Habit und Habitus:
Mönche und Humanisten im Dialog (Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 32), Göt-
tingen 2006, S. 227f., 364; Regine Schweers, Albrecht von Bonstetten und die vorländische
Historiographie zwischen Burgunder- und Schwabenkriegen (Studien und Texte zum Mit-
telalter und zur frühen Neuzeit 6), Münster/New York 2005, S. 74f.; Gabriele Janke, Gelehr-
tenkultur - Orte und Praktiken am Beispiel der Gastfreundschaft. Eine Fallstudie zu Abra-
ham Scultetus (1566-1624), in: Barbara KRUG-RiCHTER/Ruth-E. Mohrmann (Hgg.),
Frühneuzeitliche Universitätskulturen. Kulturhistorische Perspektiven auf die Hochschulen
in Europa, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 285-311, hier S. 285, Anm. 1.
17 Kintzinger, Monastische Kultur (wie Anm. 3), S. 34.
18 Ebd., S. 15-47, bes. S. 45f.; vgl. Sita Steckel, Kulturen des Lehrens im Früh- und Hochmit-
telalter. Autorität, Wissenskonzepte und Netzwerke von Gelehrten (Norm und Struktur 39),
Köln/Weimar/Wien 2011, S. 1177-1185 u.ö.