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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0163
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Theorie für die Praxis I 159

glied eines hofnahen Konvents, Laurent kannte.33 Mit einem erst neuerdings in die
Diskussion gekommenen Begriff könnte man von einer Konjunktur (conjoncture)
sprechen, einem intellektuellen Klima, in dem universitäre Wissenschaft, wissens-
bezogene Anforderungen des Hofes, die Rezeption literarischer Traditionen und
die Etablierung einer neu konzipierten Historiographie zusammenspielten.34 Mo-
nastische Gelehrte standen offenbar im Zentrum dieser Konjunktur.
Wie später bei Pacioli, so war es allerdings auch hier den Chronisten und den
Zeichnern der Chronikillustrationen offenbar wichtig, die Identität der Autoren
als Ordensmänner und über ihren Habit auch diejenige ihres Ordens kenntlich
zu machen. Dabei ergibt sich ein auf den ersten Blick dezenter, aber merklicher
Unterschied:
Im Kontext der hofnahenfranzösischen Chronistik wurden im 13. und 14. Jahr-
hundert bevorzugt Benediktiner erwähnt und gezeigt, als Autoren anderer Texts-
orten Dominikaner (Abb. 3).35 Übergänge und Überschneidungen waren mög-
lich. Namentlich Primat wird zunächst als Verfasser des Romans der Könige
(roman des roys), dann als Autor der Chronik Frankreichs kenntlich gemacht.
Entscheidend ist auch die institutionelle Zuordnung: Die Benediktiner gehören
nicht zu einem beliebigen Konvent, sondern ausschließlich zu St-Denis, die Men-
dikanten sind hingegen gerade nicht einem besonderen Konvent zuzuordnen,
sondern erscheinen als Einzelpersonen, als monastische Gelehrte am Hof.
Primat war nicht der erste Benediktiner von St-Denis, der in herausragender
Weise als Gelehrter im Königsdienst tätig wurde (Abb. 4). Bereits im 12. Jahr-
hundert hatte der Abt von St-Denis, Suger, p'rägenden Einfluss auf König Lud-
wig VII. gewonnen.36 Er hat 2015 durch Frangoise Gasparri, unter dem Titel
„abbe, Soldat, homme d’etat au Xlle siede“ eine aktuelle biographische Würdi-

33 BN Paris Ms. Franc. 2813, fol. 265v, Primat composant son ouvrage (14. Jahrhundert, wahr-
scheinlich 1370er Jahre).
34 Zum Begriff der Conjoncture als historische Beschreibungskategorie vgl. künftig Martin
Kintzinger, La double election dans l’Empire en 1314: des princes electeurs divises et la
Constitution politique en crise, in: Xavier Helary/Olivier Canteaut (Hgg.), 1314, une Europe
en crise? Regards sur la conjoncture politique europeenne ä la mort de Philippe le Bel (i. Dr.).
35 Die Abbildung: Übergabe eines Buches, vermutlich des Romans oder einer Chronikhand-
schrift aus den Chroniques de Saint-Denis, an König Philipp III. durch einen Benediktiner-
mönch (von St-Denis), wahrscheinlich Primat, im 13. Jahrhundert. Eine aufwendig gestal-
tete, vielleicht die originale Variation der Darstellung ist erhalten in der Bibliotheque
Ste-Genevieve Paris, Ms. Franc. 782, fol. 326v (14. Jahrhundert). Eine andere, schlichtere
Variante in einer Vignette der Grandes Chroniques de France findet sich in den Beständen
der BN Pans Ms Franc. 2813, fol. 260v Gemeinfreie Vorlage: https://upload.wikimedia.org/
wikipedia/commons/thumb/c/c8/Primat-StDems.jpg/220px-Primat-StDenis.jpg
36 Vgl. Bernard Guenee, Du Guesclin et Froissart. La fabncation de la renommee, Paris 2008,
S. 145-151.
 
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