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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0169
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Theorie für die Praxis I 165

lieh Wilhelm von Ockham und Marsilius von Padua entwickelten, zunächst
ausgehend von einer strategischen Verteidigung ihres Ordens im sogenannten
Armutsstreit, schließlich eine aristotelisch argumentierende politische Theorie
gegen den Universalanspruch des Papsttums und zugunsten des Kaisers. Hierin
lag ihr Engagement innerhalb der zeitgenössischen Gesellschaft und außerhalb
von Orden und Kloster. Demgegenüber waren ihre naturwissenschaftlichen Re-
flexionen weniger bedeutend, deren Bindung an die überlieferten Autoritäten
und deren Ferne von experimenteller Methodik in der heutigen Forschung be-
tont worden ist.47
Im Umfeld der Politisierung des wissenschaftlichen Diskurses formierten
sich dessen Teilnehmer, die nach ihrer Ordenszugehörigkeit unterscheidbar
sind: Der streitbare Johannes Quidort, Theologe der Pariser Universität, der be-
reits in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts mit brisanten Thesen gegen den
päpstlichen Primatanspruch hervorgetreten war, gehörte dem Dominikaner-
orden an.48 Die Franziskaner Wilhelm von Ockham und Marsilius von Padua,
Professor und kurzzeitig Rektor der Universität Paris, argumentierten seit den
frühen 1320er Jahren gegen eine päpstliche Position, die von den Augustiner-
eremiten Aegidius Romanus und Jacobus von Viterbo beschrieben worden war.
Beide Seiten dieses mit den artifiziellen Verfahren des scholastischen Diskurses
ausgetragenen Streites waren demnach durch monastische Gelehrte vertreten,
beide zudem durch Angehörige von Mendikantenorden. Sie prägten die Linie
der Auseinandersetzung und es scheint, als sei mit dem Übergang zum 14. Jahr-
hundert im gesellschaftlichen Engagement der monastischen Gelehrten eine
Phase der historiographischen und benediktinischen Tradition von einer sol-
chen der naturwissenschaftlichen und mendikantischen Innovation abgelöst
worden, zugleich der Ausrichtung auf nützliches Wissen für die Herrschaft und
deren Legitimation von einer Teilnahme an politischen Konflikten.
Zunehmend waren auch Weltkleriker an dem Streit beteiligt, so auf kaiser-
licher Seite der Kanoniker und Kanonist Lupoid von Bebenburg. Selbst die uni-
versitären Diskurse waren von der Mitwirkung weltgeistlicher Gelehrter beein-
flusst.
Zu den prägendsten Persönlichkeiten gehörten Johannes Buridanus und Nicole
Oresme, beide namhafte Naturwissenschaftler (Abb. 5).49 Buridanus’ Texte zur
47 Vgl. Gordon Leff, Die Artes Liberales, in: Walter Rüegg (Hg.), Geschichte der Universität
in Europa 1. Mittelalter, München 1993, S. 279-302, hier S. 300.
48 Volker Mantey, Zwei Schwerter - Zwei Reiche. Martin Luthers Zwei-Reiche-Lehre vor ih-
rem spätmittelalterlichen Hintergrund (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 26),
Tübingen 2005, S. 54-56.
49 Wolff, Impetustheorie (wie Anm. 44), S. 170; die Abbildung zu Nicole Oresme: Wikipedia:
mittelalterliche Miniatur Nicolaus von Oresmes. BN Paris, Ms Franc. 565, fol. Ir (Ausgabe
 
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