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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0182
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178 I Annette Kehnel

Bildung fruchtbar werden konnten und zur Entstehung der ersten Universitäten
seit der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert führten. An diesen neu entstehen-
den Universitäten waren Mitglieder der zeitgleich gegründeten Bettelorden, der
sogenannten Mendikanten allgegenwärtig, sowohl als Studenten als auch als Pre-
diger, Magister und Professoren.3 Die Omnipräsenz der Bettelmönche in den
städtischen Zentren der Gelehrsamkeit ergab sich wiedrum aus deren Predigt-
auftrag, der eine systematische Ausbildung für die Mitglieder der Ordensge-
meinschaften erforderlich machte. Und zu diesem Zweck wurden eigens Studien-
orte in allen Provinzen eingerichtet, es entstand ein flächendeckendes Studien-
wesen mit Zentren, den damaligen „Stätten des Geistes“ (Alexander Demandt).
Der Aufstieg von Bettelorden und Universitäten ging Hand in Hand.4
Die Vermutung, dass diese Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen sich einer In-
novation im Kommunikationswesen der Zeit verdankt, soll im Folgenden näher
ausgeführt werden. Die Rede ist von der Expansion im Kommunikationswesen,
die in der Aufhebung von Kommunikationsbarrieren begründet liegt und eine
Verdichtung der internationalen Kommunikationsnetzwerke nach sich zog. Eine
ganz neue „Durchlässigkeit“ in den Kommunikationsstrukturen kennzeichnet
Universität und Bettelorden gleichermaßen und war ein wichtiger Erfolgsfaktor
für die rasche Durchsetzung beider Institutionen in ganz Europa.
Im Fall der Bettelorden waren es die Abkehr von den Klostermauern und von
dem Prinzip der stabilitas loci, die ersetzt wurden durch die verstetigte - ja ver-
pflichtende - Interaktion mit der Welt sowie die strukturelle Heimatlosigkeit der
Mitglieder. Im Fall der Universitäten war es der Auszug der Gelehrsamkeit aus
den geschlossenen Wissensräumen der Klöster- und Kathedralschulen. Damit
waren die Möglichkeitsbedingungen der Öffnung und zugleich Verdichtung von
Kommunikation geschaffen: Jedes Mitglied eines Bettelordens ebenso wie jedes
Mitglied einer mittelalterlichen Universität war im Grunde genommen heimat-
los, oder umgekehrt in der ganzen Welt zu Hause - will heißen: in jedem Kon-
vent und an jeder Universität Europas willkommen als Träger und Multiplikator
von Information und Wissen, sei dies als fahrender Student, als gelehrter Magis-
ter, als Prediger, als Beichtvater oder Almosenempfänger.
Damit wäre die Arbeitshypothese für die vorliegende Studie formuliert:
3 David L. D’Avray, The Preaching of the Fnars. Sermons diffused from Paris before 1300,
Oxford 1985.
4 Kaspar Elm, Studium und Studienwesen der Bettelorden: Die „andere“ Universität?, in: Ale-
xander Demandt, Stätten des Geistes. Große Universitäten Europas von der Antike bis zur
Gegenwart, Köln, 1999, S. 111-126; Am Deutschen Historischen Institut London arbeitet
derzeit Dr. Cornelia Linde an einer Studie zu den Dominikanern in Oxford. Erste Ergebnis-
se scheinen dafür zu sprechen, dass die Beziehungen zwischen den Dominikanern und der
Universität Oxford weniger eng waren als bisher angenommen.
 
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